Navigation und Service

Springe direkt zu:

Kommunalpolitisches Leben im Nachkriegs-Ulm

Gemeinderatssitzung

© Stadtarchiv Ulm

Wie später auch der Gemeinderat, tagte der Beirat mit dem Oberbürgermeister anfangs häufig im Schuhhaussaal. Seine Beschlüsse waren formal nicht bindend, wurden vom Oberbürgermeister jedoch akzeptiert. Die Bevölkerung dagegen betrachtete den Beirat als Gemeinderat mit allen Rechten und Pflichten. Die Mitglieder des Ulmer Beirats 1946: Anton Aicher (Söflingen), Alois Baumann (Wiblingen), Karl Eychmüller (Wieland-Werke), Kurt Fried (Journalist, Kulturbeauftragter), Leonhard Gerlinger (Gewerkschafter), August Keller (Bauunternehmer), Paul Läpple (Bankdirektor), Hans Lindenmann (Baumeister), Karl Preiß (Kupferschmied), Georg Siegwarth (Angestellter), Eugen Sperle (Ingenieur), Dr. Stockburger (Arzt), Paul Ströbel (Bauunternehmer), Paul Thielemann (Verleger), Anton Wagner (Werkmeister), Johann Weißer (Redakteur), Franz Wiedemeier (AOK), Hermann Wild (Gymnasial-Professor).

Aus Amerika kam das Konzept der "Graswurzeldemokratie", einer schrittweisen bottom-up-Einführung demokratischer Prinzipien. Am 19.5.1945 überreichten Johann Weißer, Georg Siegwarth, Paul Thielemann und Franz Wiedermeier der Militärregierung eine Liste mit 19 politisch Unverdächtigen. Aus dieser Liste wurde ein Beirat von zuletzt 18 Personen berufen, der den Oberbürgermeister beraten sollte und vom 7.6.1945 bis zum Zusammentritt des ersten Gemeinderats am 6.7.1946 tagte.

Für den Neuaufbau der Demokratie galt das Prinzip "all politics is local". Noch vor allen anderen Wahlen fanden in der amerikanischen Besatzungszone Gemeinderatswahlen statt: Am 26.5.1946 erfolgte in Ulm nach 15 Jahren die erste freie und demokratische Gemeinderatswahl, bei der 36 Stadträte auf zwei Jahre mit einer Wahlbeteiligung von 73,6 % gewählt wurden und am 6.7.1946 erstmals zusammentraten. Bei der nächsten Wahl Ende 1947 wurde die sechsjährige Amtszeit eingeführt, wobei die mit geringerer Stimmenzahl gewählte Hälfte bereits einmalig nach drei Jahren ausscheiden musste und daher bei den folgenden Wahlterminen jeweils nur noch 18 Stadträte neu zu wählen waren. Diese Praxis dreijähriger überlappender Amtszeiten wurde letztmals 1971 angewandt. Seit 1975 wurden in Ulm alle – inzwischen 40 – Rätinnen und Räte in einem Wahlgang auf fünf Jahre gewählt.