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Ulmer/Neu-Ulmer Arbeitskreis 27. Januar

Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

Das Sammellager Stuttgart-Killesberg Ende November 1941 bei der ersten Deportation württembergischer Juden nach Riga

© unbekannt

Das Sammellager Stuttgart-Killesberg Ende November 1941 bei der ersten Deportation württembergischer Juden nach Riga

Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. 1996 erklärte der damalige Bundespräsident Roman Herzog den 27. Januar zum bundesweiten Gedenktag. An diesem Tag soll „der Opfer des NS-Rassenwahns und Völkermords und der Millionen Menschen gedacht werden, die durch das nationalsozialistische Regime entrechtet, verfolgt, gequält oder ermordet wurden. Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen.“

Der Ulmer / Neu-Ulmer Arbeitskreis 27. Januar konzipiert jedes Jahr eine Veranstaltung, die eine bestimmte Opfergruppe in den Fokus nimmt oder einen Teilaspekt der NS-Verbrechen näher betrachtet.

Erna Ritz (Bildmitte sitzend) war trotz staatlichen Verbots eine Liebesbeziehung zu einem ausländischen Kriegsgefangen eingegangen. Ihr wurden 1940 in einem öffentlichen Strafritual auf dem Ulmer Marktplatz die Haare geschoren.

© Stadtarchiv Ulm

Erna Ritz (Bildmitte sitzend) war trotz staatlichen Verbots eine Liebesbeziehung zu einem ausländischen Kriegsgefangen eingegangen. Ihr wurden 1940 in einem öffentlichen Strafritual auf dem Ulmer Marktplatz die Haare geschoren.

Das NS-Regime verfolgte und ermordete Frauen ebenso wie Männer aus politischen, religiösen, eugenischen oder rassistischen Gründen. Dabei hatte die Verfolgung von Frauen sehr oft auch geschlechtsspezifische Charakteristika. Diese hingen eng mit der nationalsozialistischen Ideologie zusammen, „ein rassisch reines Herrenvolk“ zu schaffen. Frauen sollten als Hausfrauen und Mütter sowie als Hüterinnen der gesellschaftlichen Moral an dieser „rassereinen Volksgemeinschaft“ mitwirken und wurden entsprechend propagandistisch umworben. Gleichzeitig stigmatisierten und verfolgten die Nationalsozialisten all jene Frauen, die von der propagierten Norm abwichen oder deren mögliche Mutterschaft als „Gefahr für die Volksgemeinschaft“ angesehen wurde.
Der Kulturwissenschaftler Dr. Dietmar Sedlaczek beleuchtet in seinem Vortrag sowohl das NS-Frauenbild als auch die unterschiedlichen Gründe der Verfolgung von Frauen. Was die nationalsozialistische Politik für Frauen in Ulm und Neu-Ulm bedeutete, stellt der Arbeitskreis 27. Januar anhand von fünf Kurzbiografien vor. Sie wurden eigens für den Abend recherchiert und geschrieben. Die lokalen Lebensgeschichten zeigen ein großes Spektrum von Verweigerung zugeschriebener Rollenmuster, aber auch viele Formen geschlechtsspezifischer Repression.
Dietmar Sedlaczek hat viele Jahre die KZ-Gedenkstätte Moringen geleitet. Von 1933 bis 1938 nahm Moringen als Frauenkonzentrationslager eine zentrale Rolle bei der Verfolgung von Frauen ein.

Veranstaltungen zum 27. Januar 2024 in Ulm und Neu-Ulm (2,05 MB, pdf)

Livestream auf Youtube

Aristides de Sousa Mendes war im Juni 1940 portugiesischer Generalkonsul in Bordeaux. Damals trafen über eine Millionen Menschen, darunter viele Jüdinnen und Juden, auf der Flucht aus zahlreichen Ländern Europas in der Stadt ein. Sie hofften, über Portugal fliehen zu können, nachdem die deutsche Wehrmacht Belgien, die Niederlande und Nordfrankreich besetzt hatte. Die Flüchtenden benötigten dazu Visa, doch hatte der portugiesische Diktator António de Oliviera Salazar bereits im November 1939 seinen Diplomaten untersagt, diese auszustellen. Sousa Mendes geriet in ein Dilemma: Der gläubige Katholik musste zwischen seinen Grundwerten und dem Befehl Salazars entscheiden. Nach dreitägigem Gewissenskampf entschied er sich, seinem Gewissen zu folgen. Zwischen dem 17. und 23. Juni 1940 stellte er unzählige Visa aus und rettete damit tausende Leben.

Veranstaltungen zum 27. Januar 2023 in Ulm und Neu-Ulm (1,46 MB, pdf)

Candelabro - Eine Video-Skulptur zum Wirken Aristides de Sousa Mendes (2,71 MB, pdf)

Die letzten Zeitzeug*innen zur Geschichte des Nationalsozialismus sind nahezu verstummt. Eine Ausnahme ist die nunmehr 100-jährige Jüdin Ann Dorzback, die 1921 als Anneliese Wallersteiner in Ulm geboren wurde und 1939 aus ihrer Heimatstadt über Großbritannien in die Vereinigten Staaten floh. Ihre Lebensgeschichte stand an diesem Abend im Mittelpunkt. Stellvertretend für diejenigen, die zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen wurden, die durch die Aufgabe ihres vertrauten Lebens in einem Netzwerk aus Familie und Freunden, Vereinen, Arbeits- oder Ausbildungsstätten und mit dem Verlust ihres Besitzes ihr nacktes Leben retteten. Der Abend schloss zugleich jene in die Erinnerung mit ein, die aus Ulm und Neu-Ulm deportiert und ermordet wurden.
 
Die Filmemacherin Sibylle Tiedemann hat Ann Dorzback über viele Jahre begleitet. Nun hat sie einen Dokumentarfilm geschaffen, der auf das Leben der Familie Wallersteiner im Ulm der 1920/30 Jahre schaut und die Ereignisse skizziert, die 1939 zur Flucht aus Deutschland und dem Neuaufbau ihrer Existenz in den USA führten. Seit vielen Jahrzehnten pflegt Ann Dorzback Kontakt zu ihrer Heimatstadt. Anlässlich ihres 100. Geburtstags wurde ihr am Schwörmontag 2021 die Bürgermedaille der Stadt Ulm verliehen. Die Uraufführung des Dokumentarfilms fand am 27. Januar 2022 im Rahmen der Gedenkveranstaltungen statt.

Das nationalsozialistische Ideal der Schaffung einer leistungseffektiven "Volksgemeinschaft", die in absehbarer Zeit dazu bereit sein sollte, unter Anwendung militärischer Gewalt "Lebensraum im Osten" zu erobern, führte zu drastischen Konsequenzen für die weniger leistungsfähigen und hilfsbedürftigen Bevölkerungsteile. Sozial Schwächere gerieten damit in die unbarmherzige Mechanik einer sozialdarwinistischen, machtpolitischen Interessen dienenden "Herrenvolks"-Ideologie.

Nach einer Begrüßung durch Herrn Oberbürgermeister Gunter Czisch führt der Historiker Oliver Gaida (HU Berlin) unter Berücksichtigung der lokalen Situation in die Geschichte der NS-Verfolgung dieser Bevölkerungsgruppe ein. Anschließend werden der Referent, Bürgermeisterin Iris Mann (Kultur, Bildung und Soziales) und die Leiterin des DRK-Obdachlosenheims in Ulm, Karin Ambacher, über die heutige Situation und über mögliche Wege aus sozialer Ausgrenzung diskutieren. Die Podiumsdiskussion wird von der Sozialpädagogin Petra Bergmann moderiert.

Livestream auf dem Youtube-Kanal des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg https://www.youtube.com/watch?v=rE8co64ujWY

Die jährliche Gedenkfeier wird vom Ulmer / Neu-Ulmer Arbeitskreis 27. Januar veranstaltet. Die Mitglieder des Arbeitskreises sind:

  • Deutsch-Israelische Gesellschaft, Ulm / Neu-Ulm
  • Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Ulm (DZOK)
  • Evangelische Gesamtkirchengemeinde Ulm
  • Förderverein Neue Synagoge e.V. 
  • Katholische Gesamtkirchengemeinde Ulm
  • Stadt Neu-Ulm / Abteilung Kultur-Schule-Sport
  • Stadt Neu-Ulm / Stadtarchiv
  • Stadt Ulm / Haus der Stadtgeschichte - Stadtarchiv
  • Stadt Ulm / Öffentlichkeitsarbeit und Repräsentation
  • Stadt Ulm / Stadthaus
  • Ulmer Volkshochschule
  • Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - BdA Ulm