Methodisten (Evangelisch-methodistische Kirche - EmK)

© Stadtarchiv Ulm
Ehinger-Tor-Kapelle der Bischöflichen Methodistenkirche in der Schillerstraße 28, um 1934/35
Im Jahr 1738 - John Wesley war bereits Pfarrer der anglikanischen Kirche - machte er nach vorausgegangenen Kontakten mit deutschen Pietisten der Herrnhuter Brüdergemeine eine prägende Erfahrung, die einen Wendepunkt in seinem Leben bedeutete. In einer Lesung in London am 24. Mai 1738 hörte er Martin Luthers Vorrede zum Römerbrief. „Plötzlich", so berichtet er, wurde es ihm „seltsam warm ums Herz". Ab diesem Moment war er sich sicher, dass Gott ihm alle Sünden vergeben hatte und ihn bedingungslos liebte. Ihm wurde klar, dass er sich Gottes Liebe und Gnade nicht mit Strenge und Eifer erarbeiten könne.
Von dieser persönlichen Heilserfahrung gingen die weiteren Impulse der methodistischen Bewegung aus. Wesley und seine Anhänger begannen, ihre Überzeugung zu predigen. Sie versuchten, durch Erweckungspredigten unter freiem Himmel auch sozial schwache und weniger gebildete Bevölkerungsschichten zu erreichen. Ein wichtiges Betätigungsfeld wurden so die Arbeitersiedlungen der aufkommenden Industrialisierung in England. Die methodistische Gemeinschaft wuchs rasch. 1788 gab es in England ca. 75.000 Methodisten. Zu der schnellen Zunahme trugen neben dem persönlichen und engagierten Glauben auch die zahlreichen Laienprediger bei, die ohne Theologiestudium und Ordination predigen durften. Um auseinanderdriftenden Tendenzen entgegen zu wirken, wurden alle Pfarrer und Laienprediger der Bewegung zu „Konferenzen" zusammengerufen, in denen die methodistische Lehre diskutiert und alle wesentlichen Entscheidungen für die methodistische Bewegung verbindlich geregelt wurden.
1769 wurden die ersten Prediger in die englischen Kolonien in Nordamerika entsandt. Nach der Unabhängigkeit der USA wurde die Loslösung der methodistischen Bewegung von der anglikanischen Kirche, die John Wesley trotz aller Anfeindungen von Seiten der anglikanischen Kirche immer abgelehnt hatte, im Jahr 1784 vollzogen. Es entstand die „Bischöfliche Methodistenkirche" in den USA, die wiederum in einzelne Kirchen wie die unter deutschen Einwanderern weit verbreitete „Kirche der Vereinigten Brüder in Christo (United Brethren in Christ)" und die „Evangelische Gemeinschaft" zerfiel. In Großbritannien löste sich die methodistische Bewegung von der anglikanischen Staatskirche 1795; es entstand eine eigenständige methodistische Kirche, die Wesleyanische Methodistenkirche.
Nach Deutschland gelangte der Methodismus im Laufe des 19. Jahrhunderts. Das geschah einerseits durch zurückkehrende Auswanderer, die in den USA zu einer der methodistischen Kirchen gefunden hatten, als auch durch die Arbeit von Missionaren der britischen Methodistenkirche. Demzufolge entstand in Deutschland zunächst keine einheitliche methodistische Kirche, sondern eine Vielzahl von methodistisch geprägten Kirchen.
Im Jahr 1897 vereinigten sich schließlich in Deutschland die englischen „Wesleyanischen" und die amerikanischen „Bischöflichen" Methodisten, wobei die Ordnungen der letztgenannten und ihre Bezeichnung „Bischöfliche Methodistenkirche" für die neue gemeinsame Kirche übernommen wurden.1905 schlossen sich der „Bischöflichen Methodistenkirche" weitere Gemeinden an, die aufgrund der Arbeit für die „Kirche der Vereinigten Brüder in Christo" entstanden waren. Die letzte Vereinigung fand 1968 mit dem Zusammenschluss der „Bischöflichen Methodistenkirche" und der „Evangelischen Gemeinschaft" zur „evangelisch-methodistischen Kirche" (EmK) statt.
Die Entstehung methodistischer Gemeinden führte im 19. Jahrhundert zu Anfeindungen seitens der evangelischen Landeskirchen. Da die Methodisten auf der Grundlage der reformatorischen Kirchen standen und keine Sonderlehren verbreiteten, lagen die Ursachen dafür weniger in theologischen Fragen, als vielmehr in ihren freien und demokratischen Organisationsformen, den im Ausland liegenden Wurzeln sowie ihrer Unabhängigkeit vom Staat. Viele Methodisten blieben zunächst auch noch Mitglieder der evangelischen Landeskirchen und besuchten dort die Abendmahlsfeiern. 1872 trat in Württemberg das Dissidentengesetz in Kraft, das auch den Methodisten die Entwicklung einer eigenen kirchlichen Organisation erlaubte, so dass es bald zu eigenen Abendmahlsfeiern und Taufen sowie zur Ordination methodistischer Prediger kam.
Die Weimarer Verfassung von 1919 beendete das Staatskirchensystem. Art. 137 Absatz 5 räumte auch anderen Religionsgemeinschaften die Möglichkeit ein, Körperschaften öffentlichen Rechts zu werden und damit dieselbe Rechtsstellung wie die evangelischen Landeskirchen und die katholischen Kirche zu erlangen. Die Bischöfliche Methodistenkirche erhielt 1921 in Baden und Bayern, 1922 in Sachsen und Hamburg, 1923 in Thüringen, 1924 in Württemberg, 1925 in Bremen und 1930 in Preußen den Status von Körperschaften des öffentlichen Rechts. Im Dritten Reich ging von den methodistischen Kirchen kaum Widerstand gegen das NS-Regime aus; im Gegenzug für ihre weithin angepasste Haltung (v.a. der Bischöflichen Methodistenkirche) zum Staat blieben sie in ihrer Rechtsstellung unangetastet.
Seit 1987 besteht eine Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen den evangelischen Landeskirchen und der evangelisch-methodistischen Kirche (EmK). Seither dürfen Pfarrer beider Kirchen im Gottesdienst der jeweils anderen Kirche predigen und Mitglieder das Abendmahl der anderen Kirche empfangen.
Die englischen „Wesleyanischen" Methodisten gründeten um 1870 eine Gemeinde in Blaubeuren. Als Versammlungsort diente ein Privathaus. Um diese Zeit entstand auch eine Gemeinde in Ulm, die jedoch zusammen mit anderen Gemeinden im Umland wie z.B. Blaubeuren und Laichingen von einem Prediger betreut wurde. Für die Versammlungen nutzte man angemietete Räumlichkeiten, die sich oft in Hinterhäusern oder auch in Gasthöfen befanden. Versammlungsräume lagen z.B. im Hinterhaus des Gebäudes Rosengasse 1 (1883-1888, alte Hausnummernbezeichnung C 402) oder im Gasthof „Krone" (1893 - 1908, Kronengasse 4). Von 19 Mitgliedern im Jahr 1885 waren nur drei aus der württembergischen Landeskirche ausgetreten. Deshalb wurden die Versammlungen zunächst mit Rücksicht auf die evangelische Kirche außerhalb der sonntäglichen Gottesdienstzeiten abgehalten. Erst 1896/97 wurden Gottesdienste am Sonntagmorgen eingeführt, und 1899/1900 fanden die ersten von methodistischen Predigern vollzogenen Taufen statt. Die ungenügende Raumsituation sowie steigende Mitgliederzahlen ließen bald den Wunsch nach einem eigenen Versammlungshaus aufkommen. 1903 wurde ein Kirchenbaufonds gegründet und im September 1906 ein "Bauverein der Bischöflichen Methodistenkirche in Ulm" in das Vereinsregister eingetragen. Die Gemeinde erwarb einen Bauplatz in der sich entwickelnden Weststadt. Das neue, „Ehinger-Tor-Kapelle" genannte Versammlungshaus in der Schillerstraße 28 wurde am 21. Juni 1908 eingeweiht. Nach der Zerstörung beim Fliegerangriff am 17. Dezember 1944 und dem Wiederaufbau diente das Gebäude noch bis 1970 als Kirche und wurde dann durch die am 18. Oktober 1970 eingeweihte Erlöserkirche in der Römerstraße ersetzt.
Die Mission Ulm der Evangelischen Gemeinschaft wurde 1865 durch den Prediger Georg Vetter gegründet. Vetter wurde 1829 geboren, wanderte als junger Mann nach Amerika aus und schloss sich 1852 in Chicago der Evangelischen Gemeinschaft an. Bevor er 1865 nach Ulm kam, predigte er in seinem Geburtsort Merklingen und in Machtolsheim, dem Geburtsort seiner Frau. Zwei Jahre später wurde er durch den Prediger M. Erdle ersetzt. Die angemieteten Versammlungsräume befanden sich in der Kronengasse, später im Gasthaus zum Weißen Ross am Kornhausplatz und in der Olgastraße 33. 1893 wurde ein Betsaal in der Zeitblomstraße 47 in einem von der Gemeinde angekauften Wohnhaus eingerichtet. 1903 kaufte die Gemeinde ein Grundstück in der Verlängerten Frauenstraße (heute: Frauenstraße 83) und errichtete dort eine Kirche, die am 27. August 1905 als Zionskirche eingeweiht wurde. 1912 nahmen Diakonissen des Bethesda-Mutterhauses in Wuppertal-Elberfeld, eines 1886 mit Sitz in Elberfeld von Pfarrern der Evangelischen Gemeinschaft gegründeten Diakonissenwerks, am Bethesda-Krankenhaus in Ulm (Zollernring) ihre Arbeit auf. Im Ersten Weltkrieg diente das Krankenhaus zeitweilig als Lazarett.
Nach dem Zusammenschluss der Methodistenkirche mit der Evangelischen Gemeinschaft zur Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) im Jahr 1968 blieben beide Kirchengemeinden, die Erlöserkirche und die Zionskirche, bestehen. 2012 wurde die Zionskirche aufgegeben, so dass in Ulm jetzt nur noch eine Gemeinde der Evangelisch-methodistischen Kirche, die Erlöserkirche, existiert. Die Evangelisch-methodistische Kirchengemeinde in Ulm zählt ca. 300 Mitglieder.
Matthias Grotz (Stadtarchiv Ulm)