Displaced Persons nach 1945
Der von den Amerikanern geprägte Begriff DPs (Displaced persons - verschleppte Personen) bezog sich auf ausländische Zivilpersonen, die im weitesten Sinn kriegsbedingt nach Deutschland gekommen waren und von den Alliierten bei Kriegsende in Deutschland vorgefunden wurden. Meist brauchten sie Hilfe, um heimzukehren oder in einem anderen Land ansässig zu werden. Zu den DPs gehörten ehemalige Zwangsarbeiter in deutschen Betrieben, ehemalige Konzentrationslagerhäftlinge und Osteuropäer, die vor der Roten Armee nach Deutschland geflüchtet waren.
Zu den DPs zählte man darüber hinaus auch jüdische Flüchtlinge aus Polen, die erst im Sommer und Herbst 1946 in die westlichen Besatzungszonen geflüchtet waren und dort ihre Auswanderung nach Palästina betrieben. Diese Personen hatten den Holocaust z.T. dadurch überlebt, dass sie vor der anrückenden Wehrmacht in die Sowjetunion geflüchtet waren oder - wenn sie aus dem östlichen, nach dem Hitler-Stalin-Pakt 1939 an die Sowjetunion gefallenen Polen stammten - nach Sibirien deportiert worden waren. Nach dem Krieg fanden die jüdischen Rückkehrer in Polen ein antisemitisches Klima vor, das 1946 in antijüdischen Ausschreitungen gipfelte. Da die Juden keine sichere Zukunft in Polen mehr sahen, flohen sie in die westlichen Besatzungszonen Deutschlands.
Über die Zahl der DPs gibt es keine genauen Angaben. Schätzungen gehen von 6 bis 12 Millionen Personen aus.
Zur Betreuung der DPs wurde schon 1943 eine Hilfsorganisation, die UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration, seit 1945 unter dem Dach der UNO) geschaffen, deren Hauptaufgabe in der Rückführung (Repatriierung) der DPs in ihre Heimatländer und in der Betreuung der DP-Lager bestand. Die lokalen UNRRA-Dienststellen unterstanden der örtlichen Militärkommandantur und waren ihrerseits wiederum in den Lagern gegenüber den nichtmilitärischen Hilfsorganisationen (z.B. Rotes Kreuz) weisungsberechtigt. Deutsche Behörden besaßen gegenüber den DPs nur eingeschränkte Gewalt. So unterstanden diese z.B. nicht der Meldepflicht und die deutsche Polizei durfte in den Lagern nur auf Anordnung der Militärpolizei tätig werden. Außerhalb der Lager durfte die deutsche Polizei DPs festnehmen, musste diese dann aber den Militärbehörden melden. Die Kosten für die Unterbringung und Versorgung der DPs hatten deutsche Stellen zu tragen. Ein Teil der Lagerinsassen war in der Lagerverwaltung und in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen tätig. Die Bezahlung oblag auch deutschen Behörden, die auf Grundlage der von der UNRRA vorgelegten Lohnlisten die Zahlungen vornahmen.
Die Rückführung von DPs aus Nord-, West- und Südeuropa in ihre Heimatländer konnte schnell und zügig abgewickelt werden. Das galt auch für sowjetische DPs, die nach den Vereinbarungen auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 ohne Rücksicht auf ihre individuellen Wünsche zwangsweise repatriiert werden sollten. Sie befürchteten zu Recht, in der Sowjetunion für ihre Zwangsarbeit beim deutschen Kriegsgegner als Kollaborateure behandelt und entsprechenden Strafmaßnahmen ausgesetzt zu werden. Sehr schleppend verlief hingegen die Repatriierung von DPs aus der Ukraine, Polen und dem Baltikum. Die Vereinbarung mit den Westalliierten auf der Konferenz von Jalta sah nämlich nur die Zwangsrepatriierung von Sowjetbürgern nach der Gebietszugehörigkeit vom 1. September 1939 vor. Das bedeutete, dass die DPs aus den erst im Laufe des Krieges an die Sowjetunion gefallenen Staaten, nämlich Litauer, Letten, Esten und ein Teil der Ukrainer, sofern sie aus den ostpolnischen Gebieten stammten und nicht die sowjetische Staatsbürgerschaft besaßen, sich der Zwangsrepatriierung widersetzen konnten. Da diese den Stalinismus nach der gewaltsamen Eingliederung ihrer Staaten 1939/40 in die UdSSR miterlebt hatten und außerdem einer ungewissen Zukunft in ihrer Heimat entgegensahen, zogen viele den Verbleib in Deutschland vor. Außerdem ist davon auszugehen, dass sich unter den nicht rückkehrwilligen DPs auch einige Personen befanden, die während des Kriegs mit den deutschen Besatzern zusammengearbeitet hatten. Ähnlich verhielt sich die Situation bei den polnischen DPs. Die Rückkehr in ein kommunistisch regiertes Land unter sowjetischer Oberhoheit schreckte viele ab.
Deshalb kam die Repatriierung der DPs bald ins Stocken. Nachdem das Ziel der Rückführung aller DPs bis 1947 nicht vollständig erreicht werden konnte, wurde die UNRRA aufgelöst und 1947 durch die International Refugee Organization (IRO) ersetzt. Diese setzte auf die Auswanderung in andere Länder oder die Eingliederung in die deutsche Gesellschaft. Zu den Aufnahmeländern gehörten unter anderem Großbritannien, Kanada, Belgien, USA, Frankreich, Palästina und Australien. Da aber die Einwanderungsländer hohe Ansprüche an Gesundheit, Alter, berufliche Qualifikationen etc. stellten, blieben die als „hard core" bezeichneten Problemfälle, v.a. Alte, Kranke und kinderreiche Familien, zurück. Mit der Einstellung der Tätigkeit der IRO Mitte 1950 verloren diese ihren DP-Status und kamen als „heimatlose Ausländer" unter deutsche Verwaltung. Die DP-Lager wurden in staatliche Wohnheime umgewandelt.
Im Oktober 1945 ordnete die amerikanische Militärregierung an, für 1.500 Polen in Ulm Wohnraum zu schaffen. Die Stadt musste zu deren Unterbringung Privatwohnungen in der Sedanstraße von den deutschen Bewohnern räumen sowie die Wilhelmsburg und die Donaubastion herrichten lassen. Eine Umfrage unter polnischen DPs im Februar 1946 in Ulm ergab, dass 72,55 % nicht zur Repatriierung bereit waren.
Die Polen wurden vermutlich im Sommer 1946 in andere Lager abtransportiert. Ihren Platz nahmen nun jüdische DPs aus Polen ein. Nach einer Statistik der UNRRA vom 7. Dezember 1946 lebten in den Ulmer DP-Lagern 6.476 Juden, die weitaus größte Anzahl von Juden in einer Stadt im amerikanisch besetzten Teil Württembergs. Lager befanden sich u.a. in der Donaubastion, Hindenburg-, Boelcke- und Sedankaserne. In der Bleidornkaserne und in Dornstadt gab es Kinderlager. Die Ulmer Lager waren für zionistische Werbung von großer Bedeutung. Im Sommer 1947 stattete David Ben Gurion, der spätere Premierminister von Israel, Ulm einen Besuch ab, um dort Vorträge zu halten. Die Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 wurde von den jüdischen DPs freudig aufgenommen. Trotz Errichtung eines eigenen jüdischen Staates verlief die Auswanderung jedoch schleppender als geplant. Bereits Ende August 1949 sollten die Ulmer Lager geräumt sein. Da jedoch nicht direkt die Auswanderung, sondern nur ein Umzug in andere Lager vorgesehen war, regte sich Widerstand. Die Bewohner hatten damit allerdings keinen Erfolg und wurden im September 1949 verlegt.
Nach Wegzug der jüdischen DPs wurden die Kasernen und beschlagnahmten Wohnungen sofort mit anderen DPs, vor allem Ukrainern und Balten (Litauer, Letten, Esten), belegt. 1950/1951 wurden die Ulmer DP-Lager nach und nach aufgelöst und die Bewohner, die nun den Status als „heimatlose Ausländer" besaßen, entweder in anderen Lagern oder in Wohnungen untergebracht. Speziell für die Alten und Kranken unter ihnen wurde auf dem Gelände des Fliegerhorstes Dornstadt 1951 ein Altenheim eingerichtet. Zahlreiche orthodoxe Grabkreuze auf den Friedhöfen des Altenheims erinnern noch heute an die ersten Bewohner.
Das Verhältnis der deutschen Bevölkerung zu den DPs war teilweise gespannt. Sie galten in der Wahrnehmung der deutschen Bevölkerung und der deutschen Medien oftmals als bessergestellte, von der Militärverwaltung protegierte Personengruppe, die in der entbehrungsreichen Nachkriegszeit mitversorgt werden musste. Sie wurden auch manchmal mit dem Schwarzhandel in Verbindung gebracht, da sie von der UNRRA versorgt wurden und über die UNRRA an Waren kamen, die bei den Deutschen sehr nachgefragt waren, wie z.B. Zigaretten und Schokolade, aber auch Kleidung und Schuhe.
Matthias Grotz (Stadtarchiv Ulm)
Jüdische DP-Lager und Gemeinden in der US-Zone
Displaced Persons (DP) Camps Gabersee und Attel