Ulmer Mädchenschulen

© Stadtarchiv Ulm
Die Sammlungsschule, das 1875 neu erbaute städtische Mädchenschulgebäude in der Steingasse 9
Mädchen waren, was die Chancen auf Bildung betraf, in Ulm wie überall in den deutschen Ländern lange Zeit stark benachteiligt: Das öffentliche Schulwesen war noch bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts streng in einen niederen und einen höheren Bereich gegliedert. Mädchen hatten nur Zugang zu den niederen, den „deutschen Schulen“ (Deutsche Schule), den damaligen Volksschulen. Höhere Schulen waren allein Knaben vorbehalten.
An der grundsätzlichen Situation der Mädchen änderte auch die zu Beginn des 19. Jahrhunderts verstärkt einsetzende Umgestaltung und Erweiterung des bisherigen niederen und höheren öffentlichen Schulwesens zu Gunsten einer ‚realistischen‘ Bildung nichts. Diese entsprach mit Unterricht in naturwissenschaftlichen Fächern und modernen Sprachen wie Englisch und Französisch eher den Herausforderungen des heraufziehenden Industriezeitalters und sollte, wie das ‚Ulmer Intelligenzblatt‘ am 9. Oktober 1846 berichtet, auch Volksschüler „in den gewöhnlichen Schulfächern und in den Realien“ zeitgemäßer unterrichten. Jedoch blieb die neu eingeführte Mittelschule wie zuvor schon das Gymnasium Mädchen verschlossen.
Politik und Pädagogik des 18. und 19. Jahrhunderts legten die Frau auf die Rolle der Hausfrau, Gattin und Mutter fest und schränkten Mädchen und junge Frauen auf ein Bildungsangebot ein, das diese von Kenntnissen und Fertigkeiten, die nicht ins Frauenbild der Zeit hineinpassten, fernhielt. Die Entwicklung eines mittleren oder gar eines höheren öffentlichen Mädchenschulwesens blieb deshalb bis in zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein privater Initiative überlassen.
Erste Ansätze einer Veränderung zeigten
sich im Bereich des niederen Mädchenschulwesens.
Schon 1795, also noch zu
Reichsstadtzeiten, hatte Anton Fischer, Lehrer am Ulmer Gymnasium, mit Verweis
auf die überfüllten Klassen der öffentlichen ‚deutschen Schulen‘ den Versuch unternommen, ein privates ‚Frauenzimmerinstitut‘
zu etablieren. In einer an das „gebildete Publikum“ besser gestellter Ulmer
Eltern gerichteten Anzeige, „die Errichtung einer Mädchenschule betreffend“ (M
1), hatte er für seine Schule zugesagt, dass sich die Anzahl der Schülerinnen
nie über zwanzig belaufen werde, da eine
zu große Anzahl von Lernenden dem Lehrer die Übersicht zu sehr erschwere. Das
sei ein Fehler, der den Fortschritten der Schüler in den öffentlichen
Lehranstalten im Weg stehe.
In zehn Wochenstunden sollten die
Mädchen in Religion, Geschichte, Geographie, Naturgeschichte, Rechnen und dem
Lesen fehlerhafter und unleserlicher Handschriften unterrichtet werden. Fischers Gattin sollte im
Unterricht ständig anwesend sein und auf ein angemessenes Auftreten und
Erscheinungsbild der Mädchen achten. Lese- und Schreibkenntnisse waren
Aufnahmevoraussetzungen, wohingegen die Konfession keine Rolle spielte. Fischer
verzichtete daher auch im Unterricht auf ‚kirchliche Unterscheidungslehren‘. Diese
erste private Ulmer Mädchenschule, die sich mangels wirtschaftlichen Erfolgs
bald wieder auflöste, war allerdings nur als eine Ergänzung zur
Volksschulbildung gedacht und beschränkte den Unterricht deshalb auf zehn
Wochenstunden. Ähnlich erging es einer weiteren, 1808 gegründeten ‚privaten Töchterschule‘.
Die von Fischer gerügte
Überfüllung der deutschen Schulen steigerte sich, verursacht durch den
politischen und wirtschaftlichen Niedergang der Stadt, in den folgenden Jahren
in erschreckendem Maße: 1812 mussten z. B. neun Lehrer mit je einem Gehilfen 1.430
Kinder in den deutschen Schulen unterrichten, so dass die Klassen im Durchschnitt
160 Schüler zählten.
Ein großer Teil der besser
gestellten Eltern, die derart beengte Schulverhältnisse ihren Töchtern nicht
zumuten wollten, ließen diese deshalb bislang lieber von Privatlehrern
unterrichten. Darum unterstützte die Stadt mit Billigung des zuständigen
Stuttgarter königlichen Konsistoriums 1815 die Gründung einer besonderen Volksschule
für Töchter von Honoratioren. Sowohl in der begrenzten Klassenstärke von ‚nur‘
je 60 Mädchen in beiden Unterrichtsabteilungen als auch im Fächerangebot und der
Stundenzahl ging sie qualitativ über das Angebot anderer Ulmer Volksschulen
hinaus (M 2). Als ihr erster Leiter
wurde der bisherige Lehrergehilfe Christoph Friedrich Maulbetsch ernannt, der
es offenbar gut verstand, sich und die Schülerinnen der Töchterschule
musikalisch wirksam in Szene zu setzen, so z. B. 1817 beim Besuch der
württembergischen Königin Katharina, die ja selbst ein Jahr später in Stuttgart
das Katharinenstift, eine höhere Töchterschule, gründete.
Für die so genannte ‚Maulbetsch’sche
Töchterschule‘ - abgesehen von der Lateinschule wurden die Ulmer Schulen bis
weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts nach ihrem jeweiligen
Schulleiter benannt - wurde eigens ein städtisches Gebäude am nördlichen
Münsterplatz umgebaut, wo sie bis zu ihrer Reorganisation 1857 anlässlich der
Pensionierung des inzwischen 70jährigen Maulbetschs blieb. Von ihrer Reorganisation an wurde sie als
‚Städtische Töchterschule‘ weitergeführt.
Dass sich Ulm als eine der ersten
württembergischen Städte gegen den anfänglichen Widerstand des königlichen
Oberamtes zu diesem Schritt einer eigenen städtischen Töchterschule durchgerungen
hat, war dem vehementen Einsatz des Stiftungsrates und Dekanats der Stadt zu
verdanken, die den Bürgern diese Mädchenschule unbedingt als eine Mittelschule
erhalten wollten. Die Fortführung der Schule in der bisherigen Form war nämlich
durch die Konkurrenz zweier für Honoratiorentöchter attraktiverer privater
Neugründungen 1819 und 1834 auf Dauer unmöglich geworden. Denn wie der örtliche
Schulinspektor Diakon Friz im August 1853 zum Schuletat anmerkte, hatten
Maulbetschs Schule schon seit Längerem nur noch „die Kinder aus dem besseren,
aber doch mittleren Bürgerstande“ besucht, „für deren Eltern das bisherige
Schulgeld hoch genug, ja zum Teil schon kein geringes Opfer ist, um ihre Kinder
in eine bessere Schule zu schicken“.
Der neue Schulleiter Hartmann war
an der ‚Musterschule Nürtingen‘, einem Lehrerseminar mit einer eigenen
Mädchenmusterklasse, ausgebildet worden. Unter ihm erlebte die sogenannte ‚Hartmann’sche
Töchterschule‘ qualitativ (z. B.
Französisch als Pflichtfach) und quantitativ (1857 noch 110, Ende 1862 schon
312 Schülerinnen) einen beachtlichen Aufschwung. Damit besaß Ulm nun neben der
1845 gegründeten Knabenmittelschule auch eine vergleichbare Bildungsanstalt für
Mädchen.
Die faktisch zur
Mädchen-Mittelschule erhobene ehemalige Töchterschule zog 1875 in die ‚Sammlungsschule‘,
ein 1875 neu erbautes städtisches Mädchenschulgebäude in der Steingasse 9, in dem
nun unabhängig von der Konfession alle Schülerinnen des niederen und höheren Schulwesens untergebracht wurden (M 3)
(M 4).
Als 1877 die Pensionierung des
Schulleiters Hartmann und damit wieder eine Reorganisation anstand, findet sich
in einem Protokoll vom 15. November 1877 als eine Art Fazit die Bewertung, der
Vorzug der Mädchen-Mittelschule vor der Volksschule sei vor allem darin zu suchen,
dass jene neben eingehenderem Unterricht in den Realien Gelegenheit zur
Erlernung der französischen Sprache biete. 1907 erfolgte der Umzug in die
neuerbaute Wagnerschule am Ehinger Tor (M 5). 1962 wurde die Schule aufgeteilt: Die ‚Mädchen-Mittelschule Ost‘
bezog das Gebäude der Friedrichsau-Schule, die ‚Mädchen-Mittelschule West‘ im
Februar 1967 das neu erbaute Schulgebäude in der Elisabethenstraße, das dann am
15. März 1967 offiziell übergeben wurde und zugleich den neuen Namen ‚Elly
Heuss-Knapp Schule. Realschule für Mädchen‘ erhielt. Mit der Umbenennung der
baden-württembergischen Mittelschulen in Realschulen hatte der Landtag Dezember
1966 einen Bundestagsbeschluss zur Vereinheitlichung des Schulwesens in der
Bundesrepublik Deutschland umgesetzt. Im gleichen Jahr erfolgte auch die Umbenennung
der übrigen Mittelschulen zu Realschulen.
Das Ende der Elly Heuss-Knapp Mädchenrealschule als
„reine Mädchenschule“ kam dann 1973, als ein Gemeinderatsbeschluss der Stadt
Ulm zur Einführung der Koedukation an allen städtischen Schulen umgesetzt
wurde. Dazu bemerkte die Südwestpresse
vom 13. September 1972: „Bislang war sie eine reine Mädchenschule. Doch ab
heute, im Zeichen der Koedukation, erscheint neben dem Handarbeits- auch der
Werkunterricht auf dem Stundenplan, denn etwa ein Drittel der ‚Neuen' sind
Buben.“
Ein erster privater Mitbewerber
auf dem Gebiet der schulischen Mädchenbildung neben Maulbetschs Töchterschule war das von Stadtpfarrer Christian
Ludwig Neuffer 1819 eröffnete ‚Institut für confirmierte Töchter‘, womit in Ulm
erstmals eine Bildungseinrichtung für Mädchen über dem vierzehnten Lebensjahr
zur Verfügung stand. Zur direkten Konkurrenz für Maulbetschs Schule wurde dieses
Institut, als es ab 1822 mit Erlaubnis des Stuttgarter königlichen
evangelischen Konsistoriums schon Zwölfjährige aufnehmen durfte. 1839 ging es
in der 1834 von einem Elternverein gegründeten und von Diaconus Scholl
geleiteten ‚Privattöchterschule‘ auf,
aus der sich später das Ulmer städtische Mädchengymnasium entwickeln sollte. Für
eine Privatschule mit Französisch als Fremdsprache und drei auf je 40
Schülerinnen begrenzten Klassen – eine vierte Oberstufenklasse für Mädchen zwischen 14 und 16 Jahren kam 1836
hinzu (M 6) – war das Schulgeld entsprechend kostspielig. Offenbar erschien es
aber den durchweg dem vermögenden Honoratiorenstand angehörenden Eltern durchaus
angemessen, damit, wie es in der
Gründungsurkunde von 1834 hieß, die „Mädchen aus den gebildeten Ständen alles
dasjenige erlernen könnten, was sowohl in wissenschaftlicher Hinsicht als auch
in Beziehung auf weibliche Handarbeiten von einem guterzogenen Frauenzimmer mit
Recht gefordert werden kann“. Mit dieser programmatischen Aussage wurde
zugleich umrissen, was die Gründungsväter für ihre Töchter als Zukunft
vorsahen: einem gutbürgerlichen Haushalt vorzustehen und als Mütter und Gastgeberinnen über eine fundierte
Allgemeinbildung verfügen zu können. Ein kleiner Teil dieser Töchter schlug
dann später die Fachlehrerinnenlaufbahn ein, einen der ersten Berufe auf dem
langen Weg zur Gleichberechtigung, der für junge Frauen aus gutbürgerlichem
Hause möglich war.
Laut Ulmer Adressbuch durfte sich
die Schule spätestens ab 1860 als ‘Höhere Töchterschule‘ bezeichnen. Allerdings
konnte sie sich sowohl unter der Leitung Scholls als auch unter den ihm nachfolgenden
Schulleitern Dr. Hassler, Schwarz und Gastpar wegen vielfältiger personeller und logistische Probleme oft nur
mühsam behaupten (M 7). Erst unter
der langjährigen Leitung (1870-1904) eines Fachfremden, des Schauspielers und
Arztes Dr. Carl Weitzel, nahm sie als ‚Weitzel’sche
höhere Töchterschule‘ mit einem erweiterten pädagogischen Programm (M 8) einen
steten Aufschwung. Weitzel entwickelte sich in der Folgezeit zu einem der
einflussreichsten Pädagogen des Landes, von dessen bildungspolitischen
Aktivitäten dann auch die ersten württembergischen Gesetze für das höhere
Mädchenschulwesen ausgingen.
Ab 1875 war die Höhere
Töchterschule wie alle anderen Ulmer Mädchenschulen im neuen Sammlungsschulgebäude
(M 4) untergebracht. Sie wurde im Jahre 1878 von der Stadt übernommen und damit
zur ersten öffentlichen höheren Mädchenschule im Königreich Württemberg.
Allerdings blieb sie vorerst wegen des hohen Schulgeldes nur einer
vergleichsweise geringen Zahl von Schülerinnen vorbehalten.
Mit der Reichsgründung setzten
Bemühungen ein, das höhere Mädchenschulwesen zu vereinheitlichen. In deren Zuge
wurde im Königreich Württemberg das ‚Königlich evangelische Konsistorium‘ als
Aufsichtsbehörde durch die ‚Königliche Kommission für die höheren
Mädchenschulen‘ abgelöst. Diese wiederum wurde 1903 in die Ministerialabteilung
für höhere Schulen eingegliedert und 1904 ein landeseinheitlicher Lehrplan
verfügt, der sich entsprechend in den Zeugnisheften der Schülerinnen
niederschlug (M 9).
Die verwaltungsmäßige
Gleichstellung der Mädchenschulen mit den höheren Knabenschulen war vollzogen. Die
staatliche Schulpolitik drängte nun darauf, die höheren Mädchenschulen den
Knabenschulen anzugleichen: Ab 1907 war es Mädchen möglich, nach Klasse 10 in
einer freiwilligen Prüfung die Mittlere Reife zu erwerben; ab 1909 konnten auch
in Württemberg Mädchen in die Klassen von höheren Knabenschulen überwechseln,
was in Preußen schon seit 1896 möglich war. Wesentliche Forderungen der
Frauenbewegung wie Koedukation und Studierfähigkeit schienen damit erfüllt,
allerdings dauerte für Mädchen die Schulzeit bis zum Abitur wesentlich länger,
war der Übertritt von der Zustimmung des Gemeinderates abhängig, mussten
Mädchen ein höheres Schulgeld zahlen und war eine Aufnahmeprüfung bei nur teils
kompatiblen Lehrplan abzulegen.
Im April 1914 wurde ein neuer
Lehrplan eingeführt, in dem die Prüfung zur Mittleren Reife obligatorisch
wurde. Eine stärkere Betonung naturwissenschaftlicher Fächer führte zur neuen
Bezeichnung als ‚Mädchenrealschule‘. Gut anderthalb Jahrzehnte später beschloss
der Gemeinderat am 10. April 1930, auf eigene Kosten den Ausbau zur ‚Mädchenoberrealschule‘
vorzunehmen. Den Anstoß dazu gab eine gemeinsame Eingabe der DDP-Frauengruppe,
des Vereins Frauenbildung-Frauenstudium und des Israelitischen Frauenvereins, „daß die Mädchenrealschule, welche
bisher die Mädchen bis zur mittleren Reife ausbildete, als Vollanstalt mit der
Möglichkeit der Maturität ausgebaut wird“.
Seit 1938 ‚Oberrealschule für
Mädchen‘ genannt, bekam sie am 30. September 1940 die endgültige Anerkennung
als höhere Schule mit dem Recht zur Abhaltung von Reifeprüfungen. Am 17.
Dezember 1944 wurde das Sammlungsschulgebäude - wie auch fast alle anderen
Schulgebäude der Stadt (Schulwesen nach 1945) - bei einem
Luftangriff völlig zerstört. Der Unterricht konnte nur noch provisorisch weitergeführt
werden und musste auf verschiedene gewerbliche und öffentliche Räumlichkeiten
verteilt werden. Erst 1951 gelang es der damaligen Schulleiterin Elisabeth
Walser (1895-1951), die im Oktober 1945 kommissarisch ihr Amt übertragen
bekommen hatte, die Mädchenoberschule unter dem Dach der Wagnerschule wieder
zusammenzuführen. Das Gebäude teilte sie sich dann bis Februar 1967 mit
verschiedenen anderen Schulen und Schularten, unter anderem mit der
Mädchen-Mittelschule.
Seit 1953 per Erlass in
‚Mädchengymnasium Ulm‘ umbenannt, wuchs dieses in den Folgejahren auf über 1.000 Schülerinnen, bevor das Jahr 1972
eine doppelte Zäsur brachte: Zum Einen sollte nach langwieriger Namenssuche das
Ulmer Mädchengymnasium den Namen ‚Hans und Sophie Scholl Gymnasium‘ tragen, zum Anderen galt es, den Beschluss des Ulmer
Gemeinderates umzusetzen, an allen höheren Schulen in Ulm die Koedukation
durchzuführen. Als dann 1980 die letzte reine Mädchenklasse die Reifeprüfung
ablegte, war der damals eingeleitet allmähliche Wandel vom reinen
Mädchengymnasium hin zu einer inzwischen vollständig koedukativ ausgebauten höheren
Schule abgeschlossen.
Die katholische Gemeinde in Ulm
war ab 1840 durch den Festungs- und Eisenbahnbau sowie die Zuwanderung aus dem
katholischen Oberland stark angewachsen. Im Jahre 1861 zählte sie schon 4.284
Katholiken, im Jahre 1895 waren es 8.254. Die zwei in den Jahren 1890 und 1901
in Ulm abgehaltenen württembergischen Katholikentage waren Ausdruck des
wachsenden Selbstbewusstseins der katholischen Bürger der Stadt. In der
Folgezeit wurden ohne Erfolg einige Versuche unternommen, in Zusammenarbeit mit
der Stadt eine städtische katholische Töchterschule zu etablieren. Dies gelang
erst im Jahre 1921 als private Schulneugründung der Genossenschaft der
Bonlandener Schwestern, die in der Wagnerstraße 65 (M 10) zunächst eine
einjährige Haushaltungsschule und im Jahr darauf eine ‚Katholische
Töchterschule‘ eröffneten.
In einem Gesuch des ‚Kuratoriums
der Katholischen Höheren Töchterschule‘ vom 4. Februar 1926 an den Gemeinderat betreffs eines jährlichen städtischen
Zuschusses wurden die näheren Umstände für dieses Wagnis nochmals dargestellt (M
11). Diese ‚Katholische Töchterschule‘ war
eine sechsjährige, auf dem vierten Volksschuljahr aufbauende weiterführende
Schule mit einem Lehrplan, der besonderen Bezug nahm auf die damaligen Ziele
der Mädchenbildung. Aus dieser ‚Töchterschule‘ ging dann nach einigen Jahren die ebenfalls sechsjährige ‚Höhere
Mädchenrealschule‘ hervor. Die
Schülerinnen hatten nach erfolgreicher Abschlussprüfung die Möglichkeit, die
Oberstufe eines Gymnasiums zu besuchen. Die erste Abschlussprüfung wurde 1933
abgelegt, im gleichen Jahr wurde auch die staatliche Anerkennung erteilt.
Das oben genannte Gesuch um einen
städtischen finanziellen Beitrag wurde allerdings per Gemeinderatsbeschluss vom 4. April 1927
abgelehnt. Eine Aktennotiz vermerkt lapidar: „Wegen Ablehnung des Gesuchs
entstand ein Pressefeldzug gegen den OBgmeister und Gemeinderat.“ Erst ab 1930
leistete die Stadt einen Beitrag, der aber 1933 unter dem NS-Oberbürgermeister
Foerster sofort wieder eingestellt wurde.
Außer SD Dr. Hammer, er leitete
von 1930 bis 1937 die Schule, und einer oder zwei angestellten Lehrerinnen,
unterrichteten an der Schule nur Schwestern. An beiden Schulen –
Haushaltungsschule und Mädchenrealschule bestanden bis zur Aufhebung
nebeneinander – wurden im Durchschnitt 250 Schülerinnen unterrichtet.
Mit dem Jahr 1933 änderte sich
die offizielle Einstellung zu Privatschulen grundlegend und am 2. Februar 1937
verfügte die zuständige Ministerialabteilung für die höheren Schulen die
zwangsweise Schließung der Schule (M 12). Die von einigen Eltern erwogenen Protestkundgebungen
kamen aus Angst vor staatlichen Repressalien - von 190 Kindern der Schule gehörten 115
Beamtenfamilien an – nicht zur Ausführung. Die Schülerinnen mussten zum 1.
April auf andere weiterführende Schulen wechseln, überwiegend an die städtische
Mädchenrealschule, also das spätere Hans und Sophie Scholl-Gymnasium. Die Schwestern fanden in
den Schulen des Bonlandener Ordens in Brasilien und Argentinien ein neues
Wirkungsfeld.
Auf Drängen vieler Eltern wurde 1949 von den Bonlandener Schwestern die Schule
wiedereröffnet, anfangs provisorisch in den Räumen der Notkirche St. Elisabeth.
Gleichzeitig wurde der erste Bauabschnitt des Schulneubaus an der Zinglerstraße
90 begonnen und am 15. Mai 1950 mit Kindergarten, Volksschule und Progymnasium bezogen
(M 13). Die staatliche Anerkennung als Vollgymnasium erfolgte 1959, die
Anerkennung der Mittelschule 1965 (1970 in Realschule umbenannt) und im gleichen
Jahr die Auflösung der nun überflüssig gewordenen Oberklassen der Volksschule,
die nun nur noch als Grundschule weitergeführt wurde. 1997 erfolgte die Schließung
des Kindergartens. Die rege Bautätigkeit, die St. Hildegard von Beginn an
begleitete und zur Zeit (Stand 2018) einen vorläufigen Abschluss fand (M 14),
legt davon Zeugnis ab, dass Mädchenschulen auch in Zeiten rechtlicher
Gleichstellung und gleicher Bildungschancen von Mann und Frau als zukunftsfähig
gesehen werden.
Dr. Andreas Kopp, St. Hildegard-Gymnasium