Navigation und Service

Springe direkt zu:

Überblick über das Schulwesen in württembergischer Zeit

Mit dem Übergang Ulms an Bayern (1802) und an Württemberg (1810) endete die vom Pfarrkirchenbaupflegamt ausgeübte reichsstädtische Hoheit über das Ulmer Schulwesen.

König Friedrich von Württemberg (1754 - 1816) führte im neuen, um katholische Landesteile erweiterten Königreich Württemberg nach Bekenntnissen getrennte Volksschulen ein. Das katholische Volksschulwesen wurde durch die General-Verordnung vom 10. September 1808, das evangelische durch die vom 26./31. Dezember 1810 neu geordnet. In allen Gemeinden wurde die Einrichtung von Volksschulen zur Pflicht gemacht. Die Volksschulen unterstanden auf lokaler Ebene der Schulaufsicht der jeweiligen Stadtpfarrer, die Oberaufsicht hatte der Dekan inne. Dekan und Oberamtmann bildeten das „gemeinschaftliche Oberamt in Schulsachen" zur Wahrung der äußeren Ordnung, für wirtschaftliche Angelegenheiten und Dienststrafsachen. Das Volksschulgesetz vom 29. September 1836 schuf für die Volksschulen beider Konfessionen einheitliche Regelungen, hielt aber am Prinzip der Bekenntnisschulen und der kirchlichen Aufsicht fest. Die örtliche Schulaufsicht lag beim jeweiligen Pfarrer, der als „Ortsschulbehörde" fungierte. Die Aufsicht über die Ortschulbehörde führten entweder der Dekan oder ein eigens ernannter Geistlicher als „Bezirksschulaufseher". Vorgesetzte Behörden in Volksschulangelegenheiten waren das Evangelische Konsistorium bzw. der Katholische Kirchenrat und an höchster Stelle das 1848 aus dem Innenministerium ausgegliederte Ministerium für das Kirchen- und Schulwesen.
Die Schulpflicht erstreckte sich vom sechsten bis vierzehnten Lebensjahr, danach mussten die Schulentlassenen bis zum achtzehnten Lebensjahr die Sonntagsschule besuchen, sofern sie auf keine weiterführende Schule gingen. Wesentliche Lehrinhalte in den Volksschulen waren nach dem Gesetz von 1836 „Religions- und Sittenlehre, Lesen, Schreiben, deutsche Sprache, Rechnen und Singen".
Die Sach- und Personalkosten der Volksschulen waren aus den für Schulzwecke bestimmten örtlichen Stiftungen bzw. aus Gemeindemitteln zu bestreiten. Außerdem waren die Gemeinden berechtigt, Schulgeld von den Eltern zu erheben. Im Lauf der Zeit beteiligte sich der Staat jedoch zunehmend an den Besoldungskosten der Lehrer.
Nach einer Gesetzesänderung vom Mai 1865 wurde die Ortsschulbehörde um Lehrer und gewählte Mitglieder aus der Schulgemeinde erweitert; wahlberechtigt waren die Väter der die Volksschule besuchenden Kinder, wählbar hingegen alle in der Gemeinde wohnenden Männer. 1891 wurde die Ortsschulbehörde kraft Gesetz in „Ortsschulrat" umbenannt und die Leitung der Geschäfte dem Pfarrer und Ortsvorsteher (Schultheiß bzw. Bürgermeister) gemeinsam übertragen. Einschneidende Änderungen brachte das Volksschulgesetz vom 17. August 1909 (M 1). Man hielt zwar an den Bekenntnisschulen fest, schaffte aber die kirchliche Schulaufsicht ab, indem man als Bezirksschulaufseher statt der Geistlichen nach Konfessionen getrennte Staatsbeamte einsetzte. Aus dem Evangelischen Konsistorium bzw. dem Katholischen Kirchenrat gingen als reine Oberschulbehörden der Evangelische bzw. Katholische Oberschulrat hervor.
In der NS-Zeit wurde die Trennung der Schulaufsicht nach Bekenntnissen aufgehoben, es entstanden einheitliche Bezirksschulämter und an Stelle des 1909 eingerichteten Evangelischen und Katholischen Oberschulrats trat die Ministerialabteilung für Volksschulen. Ganz im Sinne der nationalsozialistischen „Volksgemeinschafts"-Ideologie, bei der das Bekenntnis keine Rolle spielen sollte, wurde 1936 in ganz Württemberg statt der bisherigen Bekenntnisschule die „Deutsche Gemeinschaftsschule" eingeführt (M 2).

Ab den 1840er Jahren kamen in Ulm wie auch in anderen größeren Städten Württembergs die Knabenmittelschulen als gehobene Volksschulen auf, die einen erweiterten freiwilligen Unterricht boten und zunächst mit den Volksschulen organisatorisch verbunden blieben. In Ulm gab es über das ganze 19. Jahrhundert hinweg nur eine evangelische Mittelschule, so dass die katholischen Kinder keine andere Wahl hatten, als die evangelische Mittelschule zu besuchen. Mit dem Volksschulgesetz von 1909 bekam die Mittelschule ihren gesetzlichen Rahmen. Es wurden jetzt auch konfessionsunabhängige Mittelschulen für zulässig erklärt.

 Auch das Gymnasium in Ulm war staatlichen Umorganisationen unterworfen. Nachdem das Gymnasium in bayerischer Zeit in „Studienanstalt" umbenannt worden war, erhielt es durch Dekret vom 13. November 1811 wieder die alte Bezeichnung Gymnasium. Staatliche Aufsichtsbehörde für die höheren Schulen in Württemberg wurde der „Königliche Studienrat", der seinerseits wieder dem Ministerium für das Kirchen- und Schulwesen unterstand.
Die Schulzeit am Gymnasium betrug insgesamt 12 Jahre, wobei sich die Klasseneinteilungen und die Bezeichnungen der Klassen mehrfach im Laufe des 19. Jahrhunderts änderten. So gab es nach der Neuorganisation von 1811 ein „Oberes" und „Unteres" Gymnasium, die in je drei Klassen unterteilt waren, wobei eine Klasse zwei Jahre lang besucht wurde. Die Schüler des Gymnasiums waren zwischen sechs und 18 Jahren alt, die ersten beiden Schuljahre für 6- bis 8-jährige Schüler wurden als eine Vorschule für das Gymnasium betrachtet und meist als „Elementarschule" bezeichnet. Gymnasiasten und Volksschüler gingen also von Beginn ihrer Schulzeit an auf getrennte Schulen. 1903 fand eine Änderung im Aufbau der Gymnasien in Württemberg statt: Die zweijährige Elementarschule blieb bestehen, die unterste Klasse der zehnjährigen Gymnasialzeit wurde als Vorklasse abgetrennt, blieb aber trotzdem mit der höheren Schule verbunden. Nach der zweijährigen Elementarschule folgten also die Vorklasse und danach das neunjährige Gymnasium. Diese Neuordnung von 1903 ließ die getrennten grundständigen Schullaufbahnen von Volksschülern und Gymnasiasten mit Beginn der Schulpflicht unberührt. Das änderte sich erst 1920/21 in Folge des Reichsgrundschulgesetzes. Die vier unteren Klassen der Volksschule wurden als die allen Schülern gemeinsame Grundschule zusammengefasst, die auch die ausreichende Vorbildung für den unmittelbaren Eintritt in eine höhere Lehranstalt bilden sollte. Dementsprechend wurden die Elementarschulen aufgegeben und in die Grundschulen integriert. Gleichzeitig fiel die Vorklasse am Gymnasium weg, so dass sich eine 13-jährige (vier Jahre Grundschule + neun Jahre Gymnasium) statt 12-jährige Schulzeit für Gymnasiasten ergab. Die 13-jährige Schulzeit wurde 1938 zugunsten der Arbeitsdienst- und Wehrpflicht wieder um ein Jahr gekürzt.
 Bereits in bayerischer Zeit war 1809 eine Realklasse am Gymnasium Ulm mit Schwerpunkt auf naturwissenschaftliche-mathematische Bildung eingerichtet worden. Dieser „realistische" Zweig wurde in den folgenden Jahren immer weiter ausgebaut und mündete 1844 in der organisatorischen und räumlichen Ausgliederung der Realanstalt aus dem Gymnasium, die im Steuerhaus auf dem Weinhof untergebracht wurde. 1876/77 wurde die Realanstalt um zwei Oberklassen für 16 bis 18-jährige Schüler erweitert, so dass die Schulzeit der des Gymnasiums entsprach. Parallel zur Realanstalt entstand zwischen 1875 und 1880 nach Stuttgarter Vorbild in Ulm ein Realgymnasium, das wie die Realanstalt die Berechtigung zur Ausstellung von Reifezeugnissen erhielt (M 3). Realanstalt und Realgymnasium waren miteinander organisatorisch verbunden und hatten zum Teil auch gemeinsame Klassen und teilten sich die Lehrkräfte. Während in der Realanstalt an Fremdsprachen nur Französisch und Englisch unterrichtet wurde, kam im Realgymnasium auch Latein hinzu. Die organisatorische Verbindung zwischen beiden Schultypen in Ulm wurde 1931 aufgelöst. Realgymnasium und Oberrealschule gingen 1937 in der „Deutschen Oberschule" auf. Aus dem Realgymnasium wurde die „Hans-Schemm-Oberschule", aus der Oberrealschule die „Kepler-Oberschule".

Matthias Grotz (Stadtarchiv Ulm)