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Die Deutschen Schulen

Anders als bei der 1294 urkundlich erstmals erwähnten Lateinschule (siehe Lateinschule) ist nicht bekannt, wann die erste deutsche Schule eingerichtet wurde. In der stadtgeschichtlichen Forschung werden für das 15. Jahrhundert erstmals deutsche Schulen genannt. Die große Bedeutung von guten Schulen für das Gemeinwohl war den reichsstädtischen Ulmern wohl bewusst. Sehr früh haben sie deshalb, wie ein Chronist berichtet, „alle Mühe und allen Fleiß“ darauf verwendet, gute Schulen einzurichten. (M 1)
Die organisatorische, strukturelle und inhaltliche Ausbildung des deutschen Schulwesens im reichsstädtischen Ulm erfolgte im 16. Jahrhundert, besonders unter dem Einfluss der Reformation. Gemäß Luther und anderer Reformatoren ist es die Aufgabe der Obrigkeiten, für eine gute schulische Bildung zu sorgen. In der Ulmer Kirchenordnung von 1531 werden drei Schulpfleger zur monatlichen Visitation über die Schulen (lateinische und deutsche Schule) bestimmt. Die Zahl der Visitatoren änderte sich in der Folgezeit. Im 18. Jahrhundert waren es acht Visitatoren, die jetzt wöchentlich die deutschen Schulen kontrollierten und „ alle halb Jahr , bald nach Ostern und Michaelis [= 29. September]“ eine Hauptvisitation durchführten. Jeweils zwei Visitatoren waren für je zwei Schulen zuständig. Geprüft wurden dabei der Lernfortschritt der Schüler, die Stoffvermittlung durch die Lehrer wie überhaupt die gesamte Schulsituation, vor allem die räumliche Unterbringung der Schülerinnen und Schüler (M 2). Sie sprachen auch eine Art Gymnasialempfehlung für geeignete Schüler der deutschen Schule aus, und sie hatten sich auch um die Schüler zu kümmern, die „aus Unverstand“ der Eltern frühzeitig aus der Schule genommen wurden.
Während es nur eine Lateinschule gab, existierten mehrere deutsche Schulen in Ulm. Für 1532 lassen sich erstmals insgesamt vier gleichzeitig bestehende deutsche Schulen belegen. Die Anzahl der Schulen blieb bis 1622 konstant, wurde dann auf sechs erweitert und stieg 1671 schließlich auf acht deutsche Schulen. Eine Chronik von 1767 kommt allerdings zusammen mit der Schule im Waisenhaus auf insgesamt elf deutsche Schulen. Grund für den Ausbau des öffentlichen Schulwesens waren die steigenden Schülerzahlen.
Geleitet wurden die Schulen von examinierten und amtlich bestellten Schulmeistern. 1517 wurde ein Schulmeister aus Vaihingen auf ein Jahr als deutscher Schulmeister in Ulm angestellt und 1521 erscheint ein Lampertus Baumgart als deutscher Schulmeister, um nur einige der frühen Schulmeister des 16. Jahrhunderts zu nennen. In einem Schulgutachten von 1586, erstellt unter der Federführung des Superintendenten Ludwig Rabus (1523 – 1592), wurden für die Knaben eine „Mannsperson“ als Schulmeister und für die Mädchen eine „christlich verständige Weibsperson“ als „Schul- und Lehrfraw“ gefordert (M 3). Es war nicht ungewöhnlich, dass Frauen im Schuldienst tätig waren, allerdings nur in der Nachfolge ihrer verstorbenen Schulmeistermänner oder -väter. Margareta Sauter z. B. führte die Schule ihres verstorbenen Vaters zunächst weiter, wurde dann allerdings 1594 vom Rat aufgefordert, das „Lehrerexamen“ abzulegen und bei Bestehen die weitere Entscheidung des Rates abzuwarten. Ähnlich verhielt es sich bei der Witwe des verstorbenen Schulmeisters Johannes Bentz, auch sie führte die Schule ihres Mannes weiter, bekam aber 1635 dann einen Provisor an die Seite gestellt (M 4).
Wer Schulmeister werden wollte, musste eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen. Zu den Grundvoraussetzungen gehörte eine fachliche Kompetenz in Lesen, Rechnen und Schreiben und die Zugehörigkeit zur „reinen (= evangelischen) Confession“. Die Vergütung der Lehrer bestand aus einem städtischen Jahresgehalt, das sich aus einer Geldsumme und einer Fruchtbesoldung zusammensetzte. 1623 beispielsweise bezog der Schulmeister Balthasar Hild ein Jahresgehalt von 70 Gulden und 20 Imi Vesen (Dinkel) und 1 Imi Roggen (1 Imi = ca. 115 l.). Zusätzlich erhielt der Schulmeister ein sog. Quartalgeld, das 1712 für die beiden Schulmeister in der Eich (Hirschstraße 25,27,29,31, bis 1875 Schule, 1944 zerstört) zwölf Gulden betrug. Weiter konnten die Schulmeister, die immer wieder den Rat um Gehaltserhöhungen baten, ihren Verdienst durch Kirchendienste aufbessern, wie etwa durch das Psalmensingen.
Auf dem Lehrplan für die deutschen Schulen standen neben dem Katechismus das Erlernen von Grundkenntnissen in Lesen, Schreiben und Rechnen. Unterricht war - nach einer Schulordnung des 18. Jahrhunderts - am Vormittag und am Nachmittag (M 5). Bei der Vermittlung des Lehrstoffes ließen sich die Schulmeister durchaus was einfallen. Beim Unterrichten der Buchstaben z. B. wurden den Kindern nicht nur die Buchstaben vorgeschrieben und immer wiederholt, sondern jeder Schüler durfte sich aus einer Kiste mit vorgefertigten Buchstaben einen aussuchen und zum Üben nach Hause mitnehmen (M 6). Die Schreibübungen der Kinder waren immer wieder auch praxisorientiert. So gab man den Kindern z. B. Obligationen oder auch Quittungen zum Abschreiben, letztlich auch mit dem Ziel, dass sie ihren zu Hause möglicherweise hier unerfahrenen Eltern zur „Hand gehen möchten“. Ihre Hausaufgaben in Rechnen, Schreiben und Buchstabieren hatten die Kinder „fleißig“ zu erledigen. Geschah das nicht, konnte aus einer Ermahnung durch den Lehrer schnell auch eine Bestrafung mit der Rute werden.
Es war ein Anliegen der reformatorischen Bildungsreform, den Kindern und Jugendlichen eine möglichst umfassende und frühe schulische Elementarausbildung zu verschaffen. Der Ulmer Schulmeister Michael Brothag forderte daher 1528 den frühen Eintritt von Kindern in die deutsche Schule, deren hohe Qualität er besonders betonte. In nicht näher definierten „kindsjaren“ sollten nach Brothag 1528 die Kinder in die deutsche Schule kommen (M 7). Rund zwei Jahrhunderte später, 1724, saß dann schon ein kaum sechsjähriges Mädchen in der Schule. Immer wieder ermahnte der Rat – ganz im Sinne Luthers – die Eltern, ihre Kinder in die Schule zu schicken. 1625 ordnete er an, dass die Eltern ihre nicht dem „Rat aidpflichtigen“ Kinder in die Lateinschule oder in die deutschen Schulen schicken sollen. „Aidpflichtig“ war man in Ulm mit 16 Jahren. Das bedeutet, dass bis zum 16. Lebensjahr eine Schulpflicht bestand, die sich aber offenbar nicht so recht durchsetzen ließ. .In der Schule selbst war eine gewisse Unterrichtsdisziplin einzuhalten. So sollen die Kinder – nach der Ordnung von 1708 – ordentlich gekleidet, sauber gewaschen und gekämmt und – hier sind besonders die „Knaben“ angesprochen – ohne Dolche und Messer in die Schule kommen (M 8). Mädchen und Buben saßen getrennt an ihren Tischen und Bänken (M 9). Eingeteilt wurden die Kinder innerhalb der Schule nach einem dreistufigen, am Lernfortschritt orientierten Leistungssystem, das sich wohl im 17. Jahrhundert entwickelt hatte. So wurden nach der Schulordnung von 1708 die Kinder in drei „Ordnungen“, „Haufen“ oder „Rotten“ zusammengefasst: Die Anfänger, die buchstabieren lernten, saßen in dem ersten „Haufen“, die Fortgeschrittenen, die schon Buchstaben zusammensetzen konnten, waren in einem zweitem „Haufen“ und alle, die Lesen und Schreiben konnten, bildeten den dritten „Haufen“. Und innerhalb dieser „Haufen“ sollten dann wiederum die leistungsgleichen Kinder jeweils zu einer Gruppe zusammengenommen werden (M 10).
Unterrichtet wurden die Kinder in den Wohnungen der Schulmeister, ausgenommen in dem städtischen Schulgebäude in der Eich. Bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts sprach man im reichsstädtischen Rat über den Bau eines Schulgebäudes. Näheres erfährt man allerdings nicht. Im gesamten 16. Jahrhundert scheint man sich mit dem Thema nicht weiter beschäftigt zu haben, zumindest fehlen in den Ratsprotokollen die Hinweise dazu. Ein 1623 gemachter Vorschlag, die bestehenden sechs deutschen Schulen in einem Schulgebäude unterzubringen, kam nicht zur Ausführung. Konkret befasste sich der Rat erst wieder 1637 mit dem Schulhausbau. Als möglicher Standort wurde ein baufälliges Gebäude bei der Dreifaltigkeitskirche genannt. Ein Plan für den Um- oder Neubau lag bereits vor, wurde dann allerdings nicht realisiert. Stattdessen entschied man sich 1640 im Rat für den Bau eines Schulhauses in der Eich. 1641 wurde die vom Ulmer Stadtbaumeister Joseph Furttenbach (1591-1667) erbaute Schule eröffnet, im Erdgeschoss wurden zwei Lehrerwohnungen und darüber zwei Schulstuben eingerichtet, eine für die „Knaben“ und eine für die „Mägdlein“. Die zuvor von Furttenbach beklagte Schulraumnot, dass nämlich die Schüler in den Räumen „so dämpfig und ineinender“ sitzen (M 11), war damit ganz offensichtlich erst mal entschärft. Nach einer späteren Quelle sollen hier rund 400 Kinder Platz gefunden haben. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts beklagten die Schulmeister in der Eich allerdings den massiven Rückgang der Kinder an ihrer Schule: Nur noch rund 30 Buben und rund 70 Mädchen werden erwähnt. Als Grund nannten sie die „Vielheit“ der Schulen, besonders bedrängt fühlten sie sich durch die wachsende Zahl der sog. „Heckenschulen“ oder „Winkelschulen“. Genaue Angaben zu der Gesamtschülerzahl sind von 1717 überliefert. Danach besuchten 1.226 Schülerinnen und Schüler die acht deutschen Schulen, davon z. B. in der Schule von Schulmeister David Schmid 177 Kinder (M 12). Insgesamt hat es immer wieder starke Schwankungen in der Schülerzahl an den einzelnen Schulen gegeben.

Mit dem politischen Ende der Reichsstadt 1802 wurde dann auch das Schulwesen unter den neuen Landesherrn (Bayern: 1802-1810 und Württemberg ab 1810) Schritt für Schritt neu organisiert und inhaltlich nach den Anforderungen der Zeit neu ausgerichtet. Es entstanden neue Schulformen (vgl. Schulwesen in württembergischer Zeit).

Dr. Gebhard Weig (Stadtarchiv Ulm, i.R.)