Erster Weltkrieg und Novemberrevolution
Mit der Verhängung des Kriegszustandes im Reich am 31.7.1914 ging die vollziehende Gewalt auch in Ulm an das Militär über. Die zivilen Behörden waren nun dem stellvertretenden Generalkommando unterstellt. Daneben unterstreicht die Stationierung von zeitweise 25000 Mann die starke militärische Prägung der Garnisonstadt Ulm.
Auf der politischen Bühne wurde bei Kriegsbeginn der viel zitierte „Burgfrieden“ ausgerufen. Der Kaiser kannte nach eigenem Bekunden keine Parteien mehr, „sondern nur noch Deutsche“. Die Sozialdemokraten hatten bis kurz vor dem Krieg noch scharf vor dessen Ausbruch gewarnt und organisierten Proteste. Tatsächlich schwenkten allerdings im August 1914 alle Parteien samt der großen Mehrheit der eher systemkritischen Sozialdemokraten auf Kriegskurs ein. Die Stimmungslage der Ulmer Bevölkerung bei Kriegsausbruch stellt sich uneinheitlich dar. Eine allgemein um sich greifende Kriegsbegeisterung ist aus den Quellen nicht zu belegen.
Im Laufe des Krieges, der sich nicht zuletzt aufgrund der englischen Seeblockade immer mehr zum Wirtschaftskrieg entwickelte, nahm die Kriegsmüdigkeit stetig zu. Hintergrund dafür war nicht zuletzt die Unzufriedenheit mit der Ernährungslage, welche seit dem sogenannten "Steckrübenwinter" 1916/17 katastrophale Ausmaße annahm. Das gesamte zivile Leben stand schließlich im Zeichen der Kriegführung. Ein kleiner, aber wachsender Teil der Sozialdemokratie um Karl Liebknecht hatte sich schon in den ersten Kriegsjahren gegen die Kriegführung positioniert und stimmte im Reichstag gegen die Bewilligung der Kriegskredite. Dies mündete in die Abspaltung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei, deren Ulmer Ortsgruppe 1917 gegründet wurde. Die zunehmende Politisierung des Protestes manifestierte sich in der Zunahme von Streiks, und selbst unter den Soldaten gab es vermehrt Proteste, je mehr der Krieg sich seinem für Deutschland verheerenden Ausgang näherte. Auch im Reichstag war eine zunehmende Kritik am politischen System zu vernehmen, das sich mit der Übernahme der Obersten Heeresleitung durch Hindenburg und Ludendorff immer mehr zur Militärdiktatur entwickelt hatte.
Obwohl das kaiserliche Deutschland mit dem Frieden von Brest-Litowsk noch einen militärischen Sieg über Russland verbuchen konnte, stand es gegenüber den wirtschaftlich und militärisch spätestens nach Kriegseintritt der USA 1917 überlegenen Alliierten auf verlorenem Posten. Die militärischen Eliten entzogen sich aber ihrer Verantwortung für das Desaster, indem sie ab September 1918 eine Parlamentarisierung des Reiches herbeizuführen und zugleich die Schuld an der Niederlage auf die linken bzw. demokratischen Parteien abzuwälzen suchten.
Anfang November 1918 vollzog sich dann der endgültige Zusammenbruch des alten Systems. Der Kieler Matrosenaufstand war das Signal für die Bildung von Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräten in ganz Deutschland. Auslöser für die Revolution in Württemberg war die Verhaftung der Spartakistenführer Fritz Rück und August Thalheimer in Ulm am 6./7. November. Am 7. November folgte in Ulm eine große Arbeiterdemonstration. Wie in Berlin wurde auch in Stuttgart am 9. November 1918 die Republik ausgerufen. Zugleich wurde der Thronverzicht Wilhelms II. bekannt gemacht. Einen Tag später stellte sich Generalmajor von Schempp, nun Befehlshaber der Ulmer Garnison, hinter die neue Regierung, den Rat der Volksbeauftragten. In Ulm bildete sich ein Arbeiter- und Soldatenrat, der am 10. November einen provisorischen Vollzugsausschuss aus SPD und USPD einsetzte. Eine maßgebliche Rolle spielte hier der SPD-Vorsitzende Friedrich Göhring. Der 11. November sah in Ulm eine Großdemonstration mit 12-15000 Teilnehmern, bei der u.a. auch Clara Zetkin zu Wort kam, eine Führungsfigur der sozialistischen Frauenbewegung, die 1919 von der USPD zum Spartakusbund überging. Augenzeugen berichten von roten Fahnen, die anlässlich dieser Demonstration vom Münsterturm wehten. Insgesamt verlief die Revolution in Ulm in weitgehend friedlichen Bahnen.
Ulm im Ersten Weltkrieg auf dem Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Thomas Müller (Schubart-Gymnasium)