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Neue Wahl- und Gemeindeordnungen der Weimarer Republik

Mit dem württembergischen Gemeindegesetz vom März 1919 erhielten Frauen zum ersten Mal das Wahlrecht. Auch für Männer wurde das kommunale Wahlrecht ausgedehnt: ausschlaggebend waren Wohnsitz und Alter (20 Jahre für das aktive, 25 Jahre für das passive Wahlrecht, seit mindestens sechs Monaten in der Stadt ansässig). Es bedurfte nicht mehr des Gemeindebürgerrechts, um wählen zu dürfen, was bisher in den Industriestädten die zahlreichen zugezogenen Industriearbeiter vom kommunalen Wahlrecht ausgeschlossen hatte. Insgesamt waren 44 Ratssitze zu vergeben, wovon die eine Hälfte derjenigen, die mit höheren Stimmenzahlen gewählt wurden, auf sechs Jahre, die andere Hälfte lediglich auf drei Jahre besetzt wurde. So musste jeweils die Hälfte der Gemeinderatssitze nach drei Jahren neu durch Wahl bestimmt werden. Zwischen 1919 und 1932 fanden fünf Ratswahlen statt, wobei die Wahlbeteiligung zwischen 51,5 und 76,8% schwankte. Die ersten Gemeinderätinnen waren 1919 Emilie Wechßler (DDP), Katharine Lutz (SPD) und als Nachrückerin Agnes Schultheiß (Zentrum); zwei weitere Frauen gelangten bei den folgenden Wahlen in den Gemeinderat. Außerdem wurde der Bürgerausschuss, das gewählte Kontrollorgan des Gemeinderats, in der neuen Gemeindeverfassung abgeschafft. Die Zersplitterung der Parteienlandschaft gegen Ende der Weimarer Republik zeigte sich auch in Ulm. 1931 - 1933 bestand der Gemeinderat aus acht Fraktionen, wobei sich die Nationalsozialisten vor allem durch Provokation und Obstruktion hervortaten.
Der Oberbürgermeister wurde nach demselben Wahlrecht wie für die Gemeinderatswahlen gewählt. Bereits 1906 war schon die Mitwirkung des Staates bei der Besetzung des Oberbürgermeisterpostens und die Lebenslänglichkeit seines Amtes aufgehoben worden.
Zum württembergischen Landtag waren alle deutschen Staatsbürger beiderlei Geschlechts ab 20 Jahren wahlberechtigt. Das Wahlrecht war ein Verhältniswahlrecht. Der Landtag bestand nur noch aus gewählten Abgeordneten, d.h. die erste Kammer mit den Sitzen des Adels wurde aufgelöst und auch die Privilegierten in der 2. Kammer (ritterschaftlicher Adel) verloren ihre Sitze. Außerdem wurde in der neuen württembergischen Landesverfassung das Instrument des Volksbegehrens und der Volksabstimmung geschaffen.

Burckhard Pichon (Oberstudienrat i.R.)