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Formen des Widerstands

In allen Phasen der NS-Herrschaft gab es Formen von Verweigerung und Widerstand.
Diese gingen aus von sehr verschiedenartigen Gruppen oder Einzelnen, geschahen aus sehr unterschiedlicher Motivation (politisch, weltanschaulich, religiös), nahmen sehr verschiedene Formen an und waren von unterschiedlicher Wirksamkeit. Die Bandbreite widerständiger Verhaltensformen reicht von der Verweigerung des Hitler-Grußes bis hin zu Attentats- und Umsturzplänen.
Die Terrormaßnahmen des Regimes richteten sich zunächst vor allem gegen die politischen Gegner aus den Arbeiterparteien, zu allererst gegen die Kommunisten, deren Reichstagsabgeordnete bereits nach dem Reichstagsbrand in sogenannte „Schutzhaft“ genommen wurden. Die SPD wurde am 22. Juni 1933 verboten, so dass Widerstandsaktionen der Arbeiterbewegung nur noch aus dem Untergrund heraus unternommen werden konnten. Diese Aktivitäten bestanden unter anderem in regimekritischer Flugblattpropaganda sowie der Planung von Sabotageakten. In der Region Ulm/Neu-Ulm waren sowohl die „Revolutionären Sozialisten“ als auch Mitglieder der „Sozialistischen Arbeiterpartei“, einer linken Abspaltung der SPD, aktiv. Im September 1934 verurteilte das Stuttgarter Oberlandesgericht sieben SAP-Anhänger wegen Hochverrats zu mehrjährigen Haftstrafen, unter ihnen den Ulmer Wilhelm Sauter, der bis Kriegsausbruch in Dachau in Schutzhaft gehalten wurde. Auch Kommunisten, unter ihnen Mitglieder des „Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands“, enfalteten Aktivitäten im Untergrund. Der in Verbindung zum KJVD stehende Ernst Bauer verbreitete illegale KPD-Broschüren und versuchte, kommunistische, sozialistische und christliche Widerständler zu vernetzen.
Auch aus den Kirchen, die dem Nationalsozialismus insgesamt keineswegs als Widerstandsorganisationen begegneten, gab es verschiedene Formen des Protests. Die evangelische Kirche spaltete sich schon bald in die regimefreundlichen Deutschen Christen und die kritische Bekennende Kirche. Spuren zog die Bekennende Kirche auch in Ulm, erstmals auf dem Bekenntnistag 1934, auf dem bereits Tendenzen sichtbar wurden, die wenig später in das regimekritische Barmer Bekenntnis mündeten. Eine unfreundliche Geste gegenüber dem Regime gab es im Jahr 1935, als Reichsbischof Ludwig Müller, Vertreter der Deutschen Christen, der Auftritt im Ulmer Münster verwehrt wurde. In einem mutigen Schreiben an den Oberbürgermeister nahm Stadtvikar Metzger zum Besuch Müllers in Ulm Stellung.
Das kritische Potenzial der katholischen Kirche versuchten die Nationalsozialisten mit dem Reichskonkordat auszutrocknen, welches die Zusage politischer Enthaltsamkeit seitens der Kirche mit weit gehenden Bestandsgarantien für kirchliche Einrichtungen erkaufte. Widerstand innerhalb der katholischen Kirche war somit überwiegend auf die Abwehr von Übergriffen auf kirchliche Besitzstände konzentriert. So auch in Ulm. Als in den Jahren 1936/37 vom Staat den Konfessionsschulen die Grundlage entzogen wurde, erhob sich Protest beim Söflinger Pfarrer Franz Weiß. Weiß fiel allerdings auch sonst durch regimekritische Äußerungen auf, was ihm eine Gefängnisstrafe und schließlich die Ausweisung aus seinem Wirkungskreis einbrachte. Kritische Stimmen etwa gegenüber den Diskriminierungs- und Terrormaßnahmen gegen die Ulmer Juden, waren aus lokalen Kirchenkreisen nicht zu vernehmen. Als die nazistischen Verbrechen während des Krieges neue Dimensionen annahmen, gab es allerdings zunehmend offene Kritik aus höheren Kirchenkreisen, etwa durch den Münsteraner Bischof Graf von Galen, der die Ermordung von Behinderten durch das nationalsozialistische Euthanasie-Programm anprangerte.
Auch unter Jugendlichen und Studenten gab es oppositionelles Denken und Handeln. Der Ulmer Abiturient Heinz Brenner vervielfältigte mit anderen 1941 von Galens regimekritische Predigten und verteilte sie in Ulm. Empfänger war auch die Ulmer Familie Scholl, die schon als Anlaufstelle für die kritische Jugend fungierte. Aus dieser Familie gingen schließlich zwei der prominentesten aktiven Mitglieder des deutschen Widerstands hervor: Hans und Sophie Scholl. Als Mitglieder der „Weißen Rose“ verbreiteten die in München studierenden Geschwister seit dem Jahr 1942 regimefeindliche Flugblätter, bis sie nach einer Aktion im Lichthof der Münchener Universität verhaftet und vier Tage später am 22. Februar 1943 wegen Hochverrats hingerichtet wurden.
Unterstützung erfuhr die „Weiße Rose“ von einer Reihe junger Ulmer um Hans Hirzel, der mit Franz Joseph Müller die von Sophie Scholl von München nach Ulm transportierten Exemplare des 5. Flugblatts in der Orgelstube der Martin-Luther-Kirche postfertig machte. Susanne Hirzel half die Flugblätter in Stuttgart zu verteilen. Auch Heiner Guter und wiederum Heinz Brenner gehörten der schon länger oppositionellen Gruppe an.
 
Thomas Müller (Schubart-Gymnasium)