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Der Sonderstatus der Juden

Judenhof, Ausschnitt aus Vogelschauplan von 1597

© Stadtarchiv Ulm

Judenhof, Ausschnitt aus Vogelschauplan von 1597

Eine erste urkundliche Erwähnung von jüdischen Einwohnern in Ulm findet sich im Reichssteuerverzeichnis der Stadt von 1241, das die Steuern getrennt nach Bürgern und Juden auflistet. Wie in anderen aufstrebenden Städten hatten sich also spätestens in staufischer Zeit auch in Ulm die zunächst meist als Fernhändler tätigen Juden niedergelassen. Ab dieser Zeit lässt sich kontinuierlich durch das Mittelalter hinweg auf dem sog. Judenhof eine jüdische Gemeinde nachweisen, deren kulturellen Höhepunkt in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts fiel.
Da Juden seit dem kanonischen Zinsverbot des Laterankonzils von 1215 als alleinige Geldverleiher der adligen, geistlichen und bürgerlichen Oberschicht auftraten, standen sie unter dem besonderen Schutz der jeweiligen Könige, Landesherren oder Städte, die dafür jährliche Sondersteuern (Judensteuern) einzogen. Die gesellschaftliche Stellung der Juden innerhalb der Stadtgemeinde gegenüber der christlichen Mehrheit war nämlich häufig problematisch; obwohl sie zunächst noch das Bürgerrecht erwerben konnten, wurden sie ausgegrenzt und durch eine bestimmte Kleidung gekennzeichnet („Judenhut“, ab 1529 in Ulm der „gelbe Fleck“, ein an der Oberbekleidung befestigter gelber Ring). Die häufigen Anfeindungen gegenüber den Juden fanden ihren ersten Höhepunkt während der Pestwelle von 1348/49, als man die Juden unter dem Vorwand der Brunnenvergiftung verfolgte und enteignete. Ende Januar 1349 fiel auch die Ulmer jüdische Gemeinde einem Pogrom zum Opfer. Bereits fünf Jahre später siedelten sich allerdings erneut Juden in Ulm an, weil die Stadt nicht auf sie als Kreditgeber verzichten konnte. Als im Spätmittelalter jedoch trotz des Zinsverbots vermehrt auch Christen Geld verliehen, verloren viele Juden ihre wirtschaftliche Bedeutung und damit einhergehend der König, die Landesherren oder die Städte das Interesse an der jüdischen Bevölkerungsgruppe. So wurden den Juden im Verlauf des 15. Jahrhunderts nach und nach sämtliche Privilegien – darunter 1474 der Erwerb des Bürgerrechts – entzogen, bis schließlich Ulm von König Maximilian I. das Privileg der „Judenfreiheit“ erwarb und am 6. August 1499 alle Juden aus der Stadt ausgewiesen werden konnten.
Zwischen 1500 und 1802 existierte keine jüdische Gemeinde mehr in der Reichsstadt, aber durch Einträge in die Ratsprotokolle, Verordnungen und Aktenvermerke wird belegt, dass Juden vereinzelt auch weiterhin in der Stadt tätig waren, wenn auch meist temporär und nur mit einer Sondergenehmigung. 1555 wurde beschlossen, dass Juden nur an Donnerstagen die Stadt betreten sollten, ab 1557 nur noch zum Einkauf; weitere Handelstätigkeiten wurden ihnen zunächst strengstens verboten. Im 18. Jahrhundert allerdings lockerte man diese Vorschriften etwas auf, und man erlaubte jüdischen Geschäftsleuten v.a. den Pferdehandel. Einfacher war es für jüdische Familien, sich auf dem Ulmer Territorium (v. a. in Leipheim, Langenau und Albeck) niederzulassen, wenn auch gegen hohe Abgaben und strenge Auflagen durch den Ulmer Rat.

Dr. Gudrun Litz (Stadtarchiv Ulm)