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Wasserkraftwerke an Iller und Donau zur Stromversorgung Ulms

1899 lieferte das erste Wasserkraftwerk, die Illerzeller Mühle, Strom zur Versorgung von Ulm. Die Mühle befand sich an einem Seitenkanal der Iller, der etwa bei Bellenberg von der Iller abzweigte und bei Freudenegg wieder in diese einmündete. Die Wasserkraft dieses Kanals produzierte auch Energie für die Wieland-Werke in Vöhringen und die Textilindustrie im Unteren Illertal. In Illerzell wurde Drehstrom mit einer Spannung von 5.000 Volt erzeugt, der über eine 14 km lange Leitung durch bayerisches Gebiet nach Ulm transportiert wurde. Die Illerzeller Mühle wurde 1971 von den Stadtwerken Ulm (seit 1. Januar 1983: SWU - Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm GmbH) an einen privaten Eigentümer verkauft, erzeugt aber noch heute Strom.
Bereits 1899 wurde zwischen den Städten Ulm und Neu-Ulm ein Vertrag zur Verlängerung des Kanals von Freudenegg bis zur Donau (sogenannter Illerkanal) geschlossen. Dieses Bauvorhaben wurde im Jahr 1905 verwirklicht. Die Wasserkraft des Kanals teilten sich beide Städte hälftig auf. Neu-Ulm baute das Elektrizitätswerk bei der Jakobsruhe (heute: Neu-Ulm, Am Illerkanal), Ulm eines in Ludwigsfeld, das 1906 in Betrieb ging. Die SWU kauften zum 1. Januar 1984 die Neu-Ulmer Elektrizitätsanlagen, so dass das ursprünglich von Neu-Ulm betriebene Kraftwerk bei der Jakobsruhe schließlich auch an die SWU fiel.
Außer der Iller wurde auch die Wasserkraft an der Donau ausgenutzt. Im Dezember 1907 konnte das Kraftwerk Wiblingen in Betrieb genommen werden, das nicht nur Strom erzeugte, sondern auch eine Pumpstation für die Wasserversorgung aus dem Grundwassergebiet "Iller-Donau-Dreieck" antrieb.
Der steigende Bedarf an Strom zwang die Stadt Ulm, sich nach weiteren Quellen umzuschauen. Da die Stadt bereits 1903 vorsorglich ein Donauwehr samt Mühle donauaufwärts von Ulm bei Öpfingen gekauft hatte, bot es sich an, diesen Standort zu einem neuen Donaukraftwerk auszubauen. Das Werk ging am 24. März 1923 in Betrieb. Es war mit einem Stausee gebaut worden, so dass bei geringem Strombedarf das Wasser nachts zurückgehalten und für die Mehrbelastung am Tag abgearbeitet werden konnte.
Zwischen den beiden Kraftwerken Öpfingen und Wiblingen gab es immer noch freie Kapazitäten für die Energiegewinnung. Deshalb war es naheliegend, an diesem Streckenabschnitt mit ihrem Gefälle von ca. 8 m ein weiteres Kraftwerk bei Donaustetten zu bauen. Das neue Kraftwerk sollte ebenfalls als Speicherwerk mit einem System von fünf hintereinanderliegenden Staubecken gebaut werden. Dazu musste jedoch die Donau höher gestaut werden. Außerdem wollte man die von Süden einfließenden Bäche Westernach und Roth mit ausnutzen, was eine Umleitung der Westernach bedeutete. Die Umleitung der Westernach hatte den vollständigen Verlust der Wasserkraft für zwei Triebwerke (Sägewerk des Josef Hermann, Dellmensingen und Riedmühle im Eigentum der Gemeinde Erbach) zur Folge. Das Höherstauen der Donau führte zu einem Rückstau in den Nebenflüssen, das einen Gefällverlust und damit Einbußen in der Energiegewinnung für zwei weitere Triebwerke (Mühle an der Schmie von Anton Braun, Dellmensingen und Mühle an der Roth von Josef Braun, Dellmensingen) bedeutete. Die Entschädigung für diese Triebwerke erfolgte durch Zuteilung von kostenlosem Strom. Am 18. Oktober 1926 konnte das Kraftwerk Donaustetten schließlich eingeweiht werden.
Noch am Ende des 19. Jahrhunderts tauchten Pläne auf, innerhalb des Stadtbereichs an der Donau ein Kraftwerk zu bauen. Berücksichtigt werden mussten dabei die Planungen für den Ausbau der Donau als Schifffahrtsweg, die auch den Bau von Häfen und die Anlage von Kanälen zum Bodensee und über die Schwäbische Alb zum Neckar umfassten. Auf keinen Fall durfte die Schifffahrt behindert werden. Ein komplett vorliegender Plan von 1939 sah die Anlage am Donauknie bei der jetzigen Donauhalle vor, kam jedoch aufgrund des Krieges nicht mehr zur Ausführung. Nach dem Krieg schliefen die Pläne für einen Schiffsverkehr ein, der Wunsch nach einem Donaukraftwerk bestand dagegen weiterhin. 1950 begannen die Planungen für ein Kraftwerk an der Böfinger Halde, 1953 ging es mit 8.000 kW Leistung in Betrieb. Die Stadtwerke erhöhten 2010 die Schleusentore des Wasserkraftwerks Böfinger Halde. Die Fallhöhe des Wassers wurde von 6,50 Meter auf sieben Meter erhöht, um die Stromproduktion um rund zehn Prozent zu erhöhen. Begleitende Maßnahmen waren eine Erhöhung der Uferwege und der Bau von Drainageleitungen, um einen Anstieg des Grundwasserspiegels im hochwassergefährdeten Neu-Ulm zu verhindern.
Im August 2009 nahmen die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm zusammen mit den Halblech-Kraftwerken Memmingen am Main das neue Wasser-Kraftwerk Mainz-Kostheim in Betrieb. Dieses Engagement der SWU mehrere 100 Kilometer von Ulm entfernt war notwendig, da die Kapazitäten für die Wasserkraft im Raum Ulm nahezu ausgeschöpft sind. Der im Kraftwerk erzeugte Strom wird ins Netz der Stadtwerke Mainz eingespeist und nach dem Erneuerbare-Energien- Gesetz (EEG) vergütet. Die SWU haben sich das Ziel gesetzt, bis 2020 alle ihre Haushaltskunden in der Region mit 100 Prozent regenerativ erzeugtem Strom zu versorgen, wozu die Wasserkraft einen bedeutenden Beitrag liefert. Darüber hinaus will die SWU den gesamten Strombedarf ihrer Kunden selbst erzeugen und sich somit von Stromlieferungen anderer Produzenten unabhängiger machen.

Am 1. April 1938 wurden die Versorgungs- und Verkehrsbetriebe der Stadt Ulm, nämlich das Elektrizitätswerk, Gas- und Wasserwerk und Straßenbahn zu einem einheitlichen Eigenbetrieb unter der Bezeichnung Stadtwerke Ulm (SWU) zusammengefasst. 1939 kamen die bisher beim Tiefbauamt angesiedelten Industriegleisanlagen hinzu. 1982 wurde der Eigenbetrieb in eine GmbH privaten Rechts umgestellt. Neu-Ulm brachte seine Wasserversorgung und Industriegleise als Anteile ein. Seit 1. Januar 1983 gibt es die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm GmbH. Komplettiert wurden sie vollends durch die Übernahme der Stromversorgung Neu-Ulms zum 1. Januar 1984.

Matthias Grotz (Stadtarchiv Ulm)