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Brunnen

Der Vogelschauplan von 1597 gibt einen genauen Eindruck von der Verteilung der Grundwasser liefernden Schöpfbrunnen und der von den Brunnenwerken versorgten Röhrenkästen in der Stadt.
Die Versorgung der Einwohnerschaft mit Wasser war naturgemäß lange die Hauptfunktion der städtischen Brunnen. Darüber hinaus sind ihnen freilich im Laufe der Zeit weitere Funktionen zugewachsen. Bis in unsere Zeit sind Brunnen beliebte Treffpunkte und Orte der Kommunikation. Gerade in Epochen ohne Tageszeitung oder ohne elektronische Kommunikationsmittel war dies von großer Bedeutung. Der Gang zum Brunnen ermöglichte Austausch von Information. Neben den Bemühungen zur Sicherstellung ihrer infrastrukturellen Funktion (Trinkwasser, Löschwasser) nahm im Laufe der Zeit auch das Bestreben zu, die Brunnen ästhetisch ansprechend zu formen und repräsentativ auszustatten. Die hölzernen Kästen wurden mit der Zeit durch längerlebige steinerne, im 19. Jahrhundert dann auch durch gusseiserne Kästen ersetzt. Mit der Aufwertung der Repräsentationsfunktion wurden Brunnen zu Trägern religiöser oder politischer Symbole und damit von Bildprogrammen, die weitere Einblicke in die Entstehungszeit der Brunnen gewähren. Häufig anzutreffen sind Heiligenfiguren, Tiermotive, seit dem 20. Jahrhundert auch historische Persönlichkeiten wie Bismarck oder Einstein. Einige wenige Beispiele aus verschiedenen Epochen sollen die genannte Repräsentativfunktion verdeutlichen.
Auf das Jahr 1482 datiert der „Fischkasten“ oder „Syrlin-Brunnen“ an der südöstlichen Ecke des Rathauses. Dem Standort angemessen, ziert ihn eine Säule mit drei Rittern, deren Schilde die Wappen des Reiches und der Reichsstadt Ulm präsentieren. Die Entwürfe des Brunnens gehen auf die Werkstatt der Syrlin zurück, während die Ausführung heute Michel Erhart zugeschrieben wird. Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Säule mehrfach restauriert. Die originalen Figuren beherbergt heute das Ulmer Museum. Die Bezeichnung Fischkasten erhielt der Brunnen aufgrund seiner Funktion als Aufbewahrungsstätte feilgebotener lebender Fische zur Marktzeit.
Nur zwei Gehminuten vom Rathaus entfernt, auf dem Weinhof, befindet sich der Christopherusbrunnen. Auf der 1584 geschaffenen Brunnensäule steht die Nachbildung der von einem unbekannten Meister um 1480 für einen unbekannten Kirchenraum geschaffene Figur des Heiligen Christophorus (Original heute ebenfalls im Ulmer Museum). Ungesichert bleibt der Bezug der Figur zu gewaltsamen Ereignissen aus der Zeit der Zunftkämpfe im 14. Jahrhundert. In der Reichspogromnacht am 9.11.1938 wurde der Brunnen gegenüber der Synagoge während deren Brand zum Schauplatz der Demütigung der Ulmer Juden.
Der Georgsbrunnen östlich des Münsters, entsprechend seiner Lage auch Schuhhausbrunnen genannt, steht unweit der ehemaligen, 1538 abgebrochenen Georgskirche. Die ursprüngliche Georgsfigur stammte aus dem Jahr 1580. Dass auch 50 Jahre nach Einführung der Reformation in der Stadt eine Heiligenfigur einer Brunnensäule aufgesetzt wurde, ist mit der Bedeutung Georgs für das Ulmer Verfassungsgeschehen zu erklären. Mit ihm ist die Erinnerung an den Schwörtag verbunden, der bis 1548 jährlich am Georgstag begangen worden war.
Die einzige Frau, die es auf die Säule eines Ulmer Brunnens geschafft hat, ist Hildegard, Frau Karls des Großen und Mutter von sechs seiner Kinder. Ihre Abstammung aus dem alemannischen Adel war für Karl von politischem Nutzen. Hildegard verkörpert somit den Bezug der Stadt Ulm zur politischen Spitze des Reichs. Passend ist somit auch der Standort ihrer Figur im Hof des Neuen Baus, wo vor dessen Bau der Kaiser- bzw. Königshof genannte Hof der Patrizierfamilie Strölin gestanden hatte.
Auch der Löwenbrunnen auf dem Münsterplatz verkörpert die Verbindung der Stadt zum Reich. Der doppelte Löwe führt das Wappen des Reiches und der Stadt Ulm im Schilde. Auch bei diesem Brunnen ersetzen heute Repliken die ins Ulmer Museum gewanderten Originale.
Der Teichmann-Brunnen an der Neuen Straße erinnert an den Ulmer Karl Teichmann, nach dessen Tod sein Bruder Emil im Jahr 1909 den Brunnen stiftete. Den Brunnen schmücken Figuren der Stadtgeschichte, so der legendäre Ulmer Kuhhirt oder Albrecht Ludwig Berblinger, der Schneider von Ulm. Letzterem galt auch ein nicht realisierter Brunnenentwurf von Karl Gregor Heyberger aus dem Jahr 1902, der im Jahr 2011 ans Licht kam.

Thomas Müller (Schubart-Gymnasium)