Einleitung
Das
vorliegende Teilprojekt von „Ulmer Geschichte im Netz“ beschäftigt sich mit
Voraussetzungen, Erscheinungsformen und Folgen der Industrialisierung in Ulm.
Betrachtet werden dabei die Wegbereiter der Industrialisierung, einzelne
industrielle Zweige sowie die übergreifenden Themen Energie, Geldbeschaffung
und sozialer Wandel.
Nachdem
es Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland mit der Entstehung von Fabriken mit
Maschinen bzw. den ersten Dampfmaschinen allererste Anzeichen einer
frühindustriellen Produktionsweise gegeben hatte, begünstigten verschiedene
Ereignisse im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts den
Industrialisierungsprozess: die Mediatisierung, die ein Ende der Kleinststaaten
mit sich brachte, die Bauernbefreiung in Preußen, die Gründung des Deutschen
Zollvereins 1834 und schließlich die Einführung der Gewerbefreiheit in den
Staaten des Deutschen Bundes.
Seit
den 1830er Jahren griff – mit starken regionalen Unterschieden – in Deutschland
die Frühindustrialisierung um sich. Die regionalen Schwerpunkte im Deutschen
Bund lagen im Rheinland und im Königreich Sachsen. Württemberg war in einzelnen
Industriezweigen stark entwickelt, z. B. in der Textilindustrie. Der seit den
1830er Jahren in Deutschland einsetzende Eisenbahnbau förderte die
Industrialisierung maßgeblich. Er brachte einen enormen Arbeitskräftebedarf mit
sich und beschleunigte gleichermaßen die Entwicklung von Eisen- und
Stahlproduktion, Bergbau und Maschinenbau.
Bis
in die 1830er Jahre war auch in Ulm die Wirtschaft weitgehend von
traditionellen Produktionsformen geprägt. Noch immer galten zünftische
Reglementierungen. Mechanisierung blieb die Ausnahme, arbeitsteilige Produktion
auf wenige Manufakturen in der Tabakbranche beschränkt. Die neue
württembergische Gewerbeordnung aus dem Jahr 1828 eröffnete neue Chancen.
Darüber hinaus profitierte Ulm von verbesserten Absatzchancen durch das
Zollabkommen zwischen Bayern und Württemberg aus dem gleichen Jahr.
Mit
dem Wielandschen Messingwalzwerk entstand in Ulm in den 1830er Jahren die erste
Fabrik im engeren Sinne. In den 1840er Jahren förderten der Bau der
Bundesfestung und der Eisenbahnbau die Industrialisierung. Die Eisenbahn
wiederum war günstig für den Transport von Kohle, die für den Betrieb von
Dampfmaschinen nötig war. Um die Jahrhundertmitte setzte in Deutschland der
industrielle „take-off“ ein, in Ulm ist dieser Prozess etwa ab 1860 anzusetzen.
Die wichtigsten Erzeugnisse der Ulmer Industrie waren Pflüge, Feuerwehrzubehör,
Messingwaren, Zement, Tabak und Hüte. Eine wichtige Errungenschaft der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts schließlich war in Ulm wie andernorts die zentrale
Gas-, Wasser-, und Elektrizitätsversorgung. 1871 wurde Ulm als Ort der
Durchführung der 4. Schwäbischen Industrieausstellung auserkoren. In die Zeit
der Hochindustrialisierung ab etwa 1880 fiel in Ulm nicht nur die Vollendung
des Münsterturms, sondern auch der Bau größerer Industriebetriebe, insbesondere
in den neu erschlossenen Stadtvierteln. So ging mit der Industrialisierung eine
Vergrößerung des Ulmer Stadtgebiets nach Osten, Norden und Westen sowie die
Verfünffachung der Einwohnerzahl von 11.800 im Jahr 1810 auf 56.100 im Jahr
1910 einher. Auch in Ulm bewirkte die Industrialisierung außer demografischen Veränderungen eine
völlige Umwälzung der Arbeitsbedingungen und Wohnverhältnisse.
Bearbeitende: Matthias Grotz (Stadtarchiv Ulm), Dr. Gudrun Litz (Stadtarchiv Ulm), Thomas Müller (Schubart-Gymnasium), Burckhard Pichon (Oberstudienrat i.R.), Gebhard Weig (Stadtarchiv Ulm, i.R.).