Metallindustrie
Zu den
wichtigsten Industriezweigen in Ulm im 19. Jahrhundert gehörte neben der
Tabak-, Zement- und Hutindustrie sowie
den Brauereien auch die Metallindustrie. Als hervorragender Vertreter dieser
Branche kann Philipp Jakob Wieland (1793-1873) gelten.
Wie die
meisten Ulmer Industriellen des 19. Jahrhunderts hatte auch Wieland seine
beruflichen Wurzeln im Handwerk: 1807 bis 1813 war er Lehrling bei seinem
Onkel, dem Ulmer Glockengießer Thomas Frauenlob. Es folgte von 1813 bis Ende
1816 die Militärzeit. 1817 bis 1820 begab sich Wieland auf die Walz, die für
Handwerksgesellen typische Wanderschaft. Mit finanzieller Unterstützung durch
seinen Vater Jacob Wieland, den Besitzer der Goldochsen-Brauerei, übernahm er
anschließend das Geschäft seines Onkels und Lehrmeisters. Im Oktober 1820 wurde
Wieland in die Ulmer Schmiedezunft aufgenommen. Noch im gleichen Monat
verkündete er im Ulmer Intelligenzblatt die Firmenübernahme und warb für seine
Messing- und Metallfabrikate.
Wieland war
ein innovativer Tüftler und ein tatkräftiger Firmenpatriarch, was auch mitunter
zu Widerstand und Konflikten führte. Im Zusammenhang mit der Einführung neuer
Maschinen und Produktionsmethoden kam es beispielsweise 1832 zu
Auseinandersetzungen zwischen Wieland und Ulmer Müllern, aber auch die
Belegschaft war nicht mit allen Innovationen vorbehaltlos einverstanden.
Wielands
Messingwalzwerk (1828) gilt als Ulms erste Fabrik und Deutschlands erste
Messingfabrik. Standort war die ehemalige Sägemühle „Unter den Fischern“
(Bochslermühle). Zur Finanzierung erhielt Wieland Unterstützung seitens der mit
ihm verschwägerten Kaufleute Kapff aus Stuttgart. Die Produktion war
arbeitsteilig und durch Kraft- und Arbeitsmaschinen mechanisiert. Messing, eine
Legierung aus Kupfer und Zink, eignete sich für eine breite Produktpalette. Das
Sortiment von Wieland-Erzeugnissen umfasste nach Angaben aus dem Jahr 1848 v.
a. Feuerspritzen, Wasser- und Bierpumpen. Ein Konkurrenz zum städtischen
Handwerk bestand insofern nicht.
Im Jahr 1834
beschäftigte die Messingfabrik Wieland 30 Arbeiter in der Gießerei und 50
Arbeiter im Messingwalzwerk (teils außerhalb des Fabrikgebäudes). Die
Belegschaft bestand zum Teil aus gelernten Handwerksgesellen, zum Teil aus
Handwerksmeistern, die in eigener Werkstatt für das Unternehmen produzierten.
Sie kamen aus den verschiedensten Gewerben: Schlosser, Schmiede,
Kupferschmiede, Schreiner, Spengler, Gießer, Dreher usw. Als Fabrikarbeiter waren aber auch Ungelernte
bzw. Angelernte und ehemalige Soldaten tätig. Vier Mitarbeiter Wielands wurden
später selbstständige Metallfabrikanten, darunter Johann Georg Krauß, der
Wielands Maschinenpark in der Bochslermühle eingerichtet hatte.
In den 1850er
Jahren setzte eine Expansion des Unternehmens ein. Indikatoren waren u. a. die
gestiegene Beschäftigtenzahl und das gestiegene Steueraufkommen. Die
Produktpalette erweiterte sich ebenfalls. Im Jahr 1856 wurden gefertigt: in der
Gießerei Feuerspritzen, Pumpen, Glocken, Maschinenteile, im Walzwerk
Messingbleche, Leuchter, Pfannen, Löffel und im so genannten Drahtzug der
Messingdraht.
Um 1860
expandierte in Ulm die Maschinenindustrie (Gebrüder
Eberhardt, Magirus). Diese Entwicklung brachte einen deutlich erhöhten
Energiebedarf mit sich. Die in diesem Zusammenhang notwendige Bautätigkeit
brachte auch deutliche Stadtbildveränderungen mit sich. Die Jahre 1859 bis 1864
sahen auch bei Wieland einen erheblichen Ausbau von Fabrikanlagen und
Maschinenpark. Wieland baute zu den bisherigen Produktionsstätten in der
Rosengasse und im Fischerviertel 1859 eine neue Fabrik in der Spitalmühle beim
Seelturm. Dieses Werk mit seinen zweistöckigen Bauten war zu der Zeit die
größte Fabrikanlage in Ulm und verfügte zudem noch über ein weites Areal für
die Fabrikerweiterung. Damit war die Expansion jedoch nicht ans Ende gekommen:
Zu den Niederlassungen Wielands in Ulm und Herrlingen entstand der künftige
Hauptproduktionsstandort Vöhringen.
1871, zwei
Jahre vor seinem Tod, konnte Wieland sein boomendes Unternehmen erfolgreich auf
der großen Schwäbischen Industrieausstellung in Ulm präsentieren. Nach Wielands
Tod 1873 führte seine Witwe Mathilde Wieland (Nichte und 2. Ehefrau Wielands)
die Firma als Alleininhaberin bis zu ihrem Ausscheiden 1892. Danach ging die
Firmenleitung an die beiden Söhne über. Auch in den letzten Jahrzehnten des 19.
Jahrhunderts setzte sich die Expansion Wielands fort, was an der zunehmenden
Zahl der Beschäftigten abzulesen ist. Als Gründe gelten u. a. die generell hohe
Nachfrage nach Elektroerzeugnissen sowie der militärische Bedarf im
wilhelminischen Kaiserreich. Hinzu kam freilich auch unternehmerisches Gespür,
Wielands technische Innovationen und sein Geschick in Patentangelegenheiten.
All dies bescherte der Firma Wieland eine jahrzehntelange Expansion und den
Aufstieg zum führenden deutschen Messingverarbeiter, bis die Krisen durch den
Ersten Weltkrieg und die Nachkriegsinflation vorübergehend auch in dieser Firma
Spuren hinterließen.
Thomas Müller (Schubart-Gymnasium)