Eisenbahn

© Stadtarchiv Ulm
Eisenbahnbrücke um 1855
Vor
dem Hintergrund der heraufziehenden Industrialisierung spielten Überlegungen
zur Verkehrsentwicklung allerorten eine wichtige Rolle. Neben Straßen und
Kanäle trat – ausgehend von England – nun ein neuer Verkehrsträger, die
Eisenbahn, die sich in Deutschland zum Leitsektor der Industrialisierung
entwickelte.
Bereits
in den 1820er Jahren setzten sich der Reutlinger Ökonom Friedrich List und
andere für den Bau eines Eisenbahnnetzes in Deutschland ein. 1835 schließlich
wurde mit der zwischen Nürnberg und Fürth verkehrenden Bayerischen Ludwigsbahn
die erste Eisenbahn in Deutschland offiziell eröffnet. Auch in Württemberg nahm
man in den 1830er Jahren den Eisenbahnbau in den Blick.
Ein Gutachten aus dem Jahr 1834 legte den Bau einer Eisenbahnstrecke von
Stuttgart über Ulm zum Bodensee nahe. Im Dezember 1835, dem Monat der ersten
Eisenbahnfahrt in Deutschland, gründeten Ulmer Bürger, voran Conrad Dietrich
Haßler, die „Ulmer Eisenbahngesellschaft“ als Aktiengesellschaft mit dem Ziel,
Ulm an das Eisenbahnnetz anzuschließen. 1836 fusionierten die
Eisenbahngesellschaften von Ulm und Stuttgart zur „Württembergischen
Eisenbahngesellschaft“, die sich jedoch 1838 wieder auflöste. 1843 wurde der
Bau der Eisenbahnstrecke von Stuttgart über Ulm, Biberach, Ravensburg bis
Friedrichshafen schließlich per Gesetz beschlossen.
Für die Trassenführung von Stuttgart nach Ulm standen lange zwei Varianten zur
Diskussion: die längere Strecke über das Rems- und Brenztal mit dem Vorteil der
Umgehung der Schwäbischen Alb und die kürzere, aber wegen des Albaufstiegs bei
Geislingen kompliziertere Variante durch das Filstal, die schließlich
realisiert wurde. 1846 begann der Bau der Südbahn von Ulm nach Friedrichshafen.
Im Juni 1850 schließlich war die Verbindung Heilbronn - Stuttgart – Ulm -
Friedrichshafen fertiggestellt, und am 29. Juni fuhr der erste Zug aus
Stuttgart im Ulmer Bahnhof ein, ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg Ulms zum
Eisenbahnknotenpunkt. Kontroverse Diskussionen hatte zuvor die Frage des
Bahnhofstandorts in Ulm ausgelöst. Erwogen wurde die Lage im Norden der damals
bebauten Fläche etwa entlang der heutigen Karlstraße. Dabei sollte die Bahn von
Stuttgart her durch das Lehrer Tal in die Stadt geführt und die Donau im Osten
überquert werden. Favorisiert wurde diese Lösung zum Beispiel von
Stadtbaumeister Thrän und Festungsbaumeister von Prittwitz. Die Trasse nach
Friedrichshafen wäre in dieser Variante allerdings durch bayerisches Gebiet
verlaufen. Realisiert wurde nach der Entscheidung des Gemeinderats allerdings
der Bahnhof an seinem heutigen Standort, seinerzeit westlich angrenzend an das
Stadtgebiet, was allerdings zunächst eine Ausdehnung der Stadt nach Westen
erschwerte. Von 1854 bis 1871 gab es in
Ulm einen württembergischen und einen bayerischen Bahnhof (die Zweiteilung ist
noch heute an den vorgelagerten Gleisen 25-28 erkennbar), deren Uhren übrigens
bis zur Einführung der Mitteleuropäischen Eisenbahnzeit (M.E.Z.) am 1. Juni 1891 verschiedene Zeiten
anzeigten.
Der
Bau von Bahnhöfen und Strecken erforderte neben immensen Mengen an Rohstoffen
auch sehr viele Arbeitskräfte. Um 1850 hatte man in Ulm sehr viele Arbeiter,
die zuvor auf den Baustellen der Bundesfestung tätig waren, für den
Eisenbahnbau aktiviert.
Die
Entwicklung der Eisenbahn im 19. Jahrhundert war für alle Lebensbereiche von
enormer Bedeutung. Der Personenverkehr wie auch der Güterverkehr schnellte
sprunghaft an. In immer kürzerer Zeit konnten immer weitere Entfernungen
zurückgelegt werden. Die Eisenbahn beeinflusste aber auch militärische
Ereignisse. Die Möglichkeit zum Transport von Truppen und Material per
Eisenbahn wurde zu einer entscheidenden logistischen Größe in der Kriegführung
seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Thomas Müller (Schubart-Gymnasium)