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Die Entstehung der Neustadt und die Industrialisierung

Aufgrund der wirtschaftlichen Stagnation und des Verlustes an Zentralität nach dem Übergang an Württemberg - Ulm hatte in bayerischer Zeit den Rang einer Provinzhauptstadt - blieben Neubauten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf die alte Siedlungsfläche beschränkt. Durch Eisenbahn- und Festungsbau und die aufkommende Industrialisierung entstand der Bedarf an größeren Stadterweiterungen. Wegen der Eisenbahnanlagen im Westen und der Bundesfestung waren nur Erweiterungen innerhalb dieses Gürtels möglich. Daher entstand nördlich der Altstadt ein neues Stadtviertel, die Neustadt, mit einem rechteckigen Grundriss und der Karl- und Olgastraße als Verbindungsstraßen. An der Olgastraße - auf Flächen der ehemaligen Bastionärsbefestigung aus den Jahren 1617 ff. - wurden zahlreiche repräsentative Bauten wie das Gymnasium (1876 - 1878) und das Justizgebäude für Land- und Amtsgericht (1894 - 1899) errichtet.
Für die beginnende Industrialisierung waren die Wasserkräfte der Blau von ausschlaggebender Bedeutung, und bis in die fünfziger Jahre beruhte die fabrikmäßige Produktion fast ausschließlich auf dem Mühlenprinzip. So kam es bis 1860 nur zur Bildung weniger Unternehmen in der Altstadt. Neben den Tabakfabriken der Gebr. Bürglen beim Kornhaus und von Wechsler im Paradiesgässchen/Kramgasse waren das die Hutfabrik Mayser (seit 1800) in der Sterngasse, die Metallgießerei Wieland in der Rosengasse und im Fischerviertel (1820/ 1828).
Fehlende Wasserkraft und Platzmangel zwangen dann zur Verlagerung der Unternehmen in die Ost- und die nördliche Neustadt und auf Gebiete außerhalb des Festungsgürtels. So finden wir Wieland 1842 in Herrlingen, 1859 vor dem Zundeltor und seit 1864 mit einem weiteren Standort in Vöhringen und die Firma Eberhardt 1854 in der Deinselsgasse, 1863 an der Olga-/ Keplerstraße und 1880 in der Oststadt. Magirus, der in der Hirschstraße anfing, wurde 1864 Teilhaber bei Eberhardt und hatte weitere Betriebsstätten seit 1877 an der Promenade und schließlich in der Schillerstraße. Die Eisengießerei Hopff, 1866 gegründet, befand sich ab 1884 in der Wilhelmstraße. Die Maschinenfabrik Ott, 1877 in der Radgasse gegründet, nahm 1897 ihre Arbeit in der König-Wilhelm-Straße auf. Die Fahrzeugwerke Kässbohrer, 1893 am Lautenberg gegründet, bezogen 1904 neue Räume an der Karl-/ Hartmannstraße, und Mayser errichtete 1901 bis 1903 eine neue Betriebsstätte an der Wielandstraße in der Oststadt. Wichtige weitere Betriebsgründungen waren die Turmuhrenfabrik Hörz (gegründet 1862, seit 1905 in der Weststadt), die Wäschefabrik Herbst und das Hüttenwerk Ulm (seit 1880). Außerhalb des Festungsgürtels im Westen lagen der Kupferhammer von Schwenk und die Ziegelhütten sowie seit 1868 die Baumwollweberei Steiger und Deschler in Söflingen.

Matthias Grotz (Stadtarchiv Ulm)