Landtags- und Reichstagswahlrecht
Bei den Wahlen zum württembergischen Landtag waren nur die mit einer staatlichen Steuer belegten Gemeindebürger wahlberechtigt. Zusätzlich wurden noch die Wohlhabenden begünstigt: Die Wahl der Landtagsabgeordneten erfolgte über die Wahlmänner, die in ihrer Anzahl auf ein Siebtel der Wähler festgelegt war. Die höchstbesteuerten Bürger eines Wahlkreises (ca. 10 %) stellten automatisch zwei Drittel der Wahlmänner, während die übrigen Bürger (ca. 90 Prozent der Wahlberechtigten) das restliche Drittel der Wahlmänner wählte. So besaßen die Höchstbesteuerten ein direktes Wahlrecht, die übrigen Bürger nur ein indirektes. 1868 wurde das Landtagswahlrecht vom Besitz des Gemeindebürgerrechts am Wohnort gelöst und in ein allgemeines und direktes Wahlrecht für alle männlichen Staatsbürger umgewandelt.
Der württembergische Landtag war ein Zweikammerparlament. In der ersten Kammer saßen die Prinzen des königlichen Hauses, die Standesherren (1806 mediatisierter Adel) und die vom König ernannten Mitglieder. Die zweite Kammer bestand aus 70 nach obigem Verfahren gewählten Vertretern und 23 sogenannten Privilegierten, nämlich 13 Vertretern des ritterschaftlichen Adels, 6 protestantischen und 3 katholischen Geistlichen sowie dem Kanzler der Universität Tübingen.
Bei der Gründung des Deutschen Reichs 1871 wurde das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht für alle erwachsenen männlichen Staatsbürger des ehemaligen Norddeutschen Bundes übernommen. Ausgenommen waren u.a. Soldaten und Personen, die Armenunterstützung empfingen. Ulm gehörte zum Reichstagswahlkreis Ulm-Heidenheim, der die Oberämter Ulm, Heidenheim und Geislingen umfasste.
Matthias Grotz (Stadtarchiv Ulm)