Parteien und Verbände von 1918 bis 1933

© Stadtarchiv Ulm
Belagerung des Rathauses und des Marktplatzes, Generalstreik, April 1919
Nach dem Ende des 1. Weltkriegs fanden am 19. Januar 1919 im Deutschen Reich die Wahlen zur Verfassungsgebenden Nationalversammlung der neuen Republik statt.
Danach gab es bis zu den letzten freien Wahlen am 5. März 1933 insgesamt 8 Wahlen zum Deutschen Reichstag.
Wahlberechtigt waren nach Art. 22 der Weimarer Reichsverfassung alle über 20 Jahre alten Männer und erstmals auch Frauen.
Gewählt wurde wie heute in der Bundesrepublik in „allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl“ (Art. 22), allerdings nach dem reinen Verhältniswahlrecht. Das bedeutete, dass auf eine festgelegte Anzahl von Stimmen ein Sitz im Reichstag entfiel (so dass übrigens die Größe des Reichstags je nach der Wahlbeteiligung sehr differieren konnte). Wie in der Verfassung der Bundesrepublik waren allerdings auch in der Weimarer Republik die gewählten Abgeordneten „Vertreter des ganzen Volkes“ und „nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge nicht gebunden“ (Art. 21).
Da das Wahlrecht keine 5% Sperrklausel kannte und damit kleinere Parteien und Gruppierungen begünstigte, stellten sich im ganzen Reich insgesamt 54 Parteien und Gruppierungen zur Wahl, in Ulm allein bis zu 25. Von diesen waren es aber nur 5 Parteien, die bei allen neun Wahlen antraten, und zwar die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), die Deutsche Demokratische Partei (DDP, linksliberal), das Zentrum (Partei des politischen Katholizismus), die Deutsche Volkspartei (DVP, rechtsliberal) und die Deutschnationale Volkspartei (DNVP, nationalkonservativ). Bekanntlich setzten sich nur die ersten drei der genannten Parteien entschlossen für das republikanische System und seine Verfassung ein, während die übrigen Parteien, vor allem die schon bald hinzukommende Kommunistische Partei (KPD) und die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) die neue Republik entschieden ablehnten und bekämpften.
Die genannten Parteien traten neben anderen auch bei den Gemeinderatswahlen in Ulm an.
Neben ihrer Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen nahmen die Ulmer Bürger aber auch Einfluss auf die Geschicke ihrer Stadt durch die Organisation in verschiedenen Verbänden. Einige von ihnen reagierten unmittelbar auf die Niederlage im 1. Weltkrieg und die durch den Vertrag von Versailles auferlegten militärischen Beschränkungen. Beispiele sind von Ende März 1919 bis zu ihrer Auflösung im Juni 1921 die „Ulmer Einwohnerwehr“ (E.W.U.) und seit dem 22. Oktober 1920 bis zur Löschung aus dem Vereinsregister 1939 das „Schwabenbanner“, ebenso der reichsweit bestehende „Stahlhelm“ und der „Reichsbund jüdischer Frontsoldaten“. Andere Verbände waren mehr eine Reaktion auf die sich vor allem gegen Ende der Weimarer Republik zuspitzenden gesellschaftlichen und politischen Gegensätze (Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Roter Frontkämpferbund).
Burckhard Pichon (Oberstudienrat i.R.)