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Die Gesellschaft der Reichsstadt

Über die Bevölkerungszahlen Ulms liegen bis 1300 keinerlei Anhaltspunkte vor. Daher sind wir weitgehend auf Schätzungen angewiesen. Erst die Angaben von 1790, 1800 und 1802 beruhen auf genaueren Zählungen.
Der Anstieg der Bevölkerung seit dem ausgehenden Mittelalter war durch die außerordentliche wirtschaftliche Blüte bedingt. Die Kriegsereignisse des 30jährigen Krieges und Seuchen – sechs Pestepidemien im 17. Jahrhundert kosteten allein 4.000 Bürger das Leben – bewirkten einen starken Bevölkerungsrückgang. Erst in den 80er Jahren erreichten die Geburten bzw. Taufzahlen wieder Werte von 1600. Die weitere Entwicklung zeigte jedoch wieder eine Tendenz zur Bevölkerungsabnahme seit 1750, deren Ursachen u.a. in der abnehmenden wirtschaftlichen und politischen Bedeutung der Reichsstadt zu suchen sind.
Die rechtliche Stellung der Einwohner der Stadt war sehr unterschiedlich. Zu den Personen mit uneingeschränkten politischen und wirtschaftlichen Rechten gehörten die Patrizier und die Angehörigen der Zünfte. Auch Frauen konnten das Bürgerrecht erwerben. Über konkrete Mitgestaltung politischer Regelungen durch Frauen ist nichts bekannt.
Personen mit Bürgerrecht waren auch die Pfahl- oder Paktbürger, die außerhalb der Stadt wohnten und per Antrag ins Bürgerrecht auf Zeit (meist 5 Jahre) aufgenommen werden konnten. Sie leisteten einen Eid, zum Nutzen und Frommen der Stadt zu wirken und pünktlich ihre Steuerleistungen vorzunehmen; außerdem verpflichteten sie sich, Ankäufe von Liegenschaften nur mit Zustimmung des Rates bzw. Verkäufe nur an Ulmer Bürger zu tätigen.
Neben diesen Bürgern gab es noch die Beiwohner oder Beisitzer. Beiwohner höheren Standes durften in Ulm einen Haushalt – meist auf Zeit – unterhalten, mit weniger Pflichten, aber Steuerleistungen für die Stadt. Beiwohner geringen Standes bedurften der jährlichen Aufenthaltsgenehmigung durch den Rat und waren in ihrer Freizügigkeit eingeschränkt.
Die Vorschriften zum Bürgerrecht und für die Beiwohner unterlagen z. T. kurzfristig deutlichen Veränderungen. Grundsätzlich war man um Ergänzung der Bürgerschaft bemüht, um Wirtschaftskraft und Wehrhaftigkeit der Stadt zu erhöhen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sah man sich genötigt, die Bedingungen für die Aufnahme in Zünfte, Bürger- und Beiwohnerrecht drastisch zu verschärfen, um den Zuzug von zu vielen armen Leuten zu beschränken, die der städtischen Fürsorge zur Last fallen würden.

Dr. Gudrun Litz (Stadtarchiv Ulm) und Tiziana Valdini (Anna-Essinger-Gymnasium)