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Mühlen

Die Bochslersmühle an der Stadtmauer um 1835

© Stadtarchiv Ulm

Die Bochslersmühle an der Stadtmauer um 1835

Wasser und Wind, als alternative Energien heute wieder groß im Gespräch, waren durch viele Jahrhunderte die einzigen Energielieferanten. Wind- und vor allem die weitaus zahlreicheren Wassermühlen revolutionierten im Mittelalter entscheidend das Wirtschaftsleben. Ulm, am Zusammenfluss von Blau, Iller und Donau gelegen, hatte Wasser in Überfluss. Doch war dieser Überfluss an Wasser nicht in allen Jahrhunderten gleich nutzbar. Bis ins 19. Jahrhundert dienten Donau und Iller vorrangig als Wasserwege für die Schifffahrt, für das Ulmer Handwerk waren sie als Energielieferanten technisch nicht ausbaufähig. Allein die durch die Stadt in zwei großen Armen fließende Blau (Große und Kleine Blau) bot die nötigen Voraussetzungen für die Ansiedlung von Mühlen und Handwerksbetrieben (wie etwa die Gerber und Färber), die mit ihrer Tätigkeit an das Wasser gebunden waren. Und die Ulmer nutzten durch die Jahrhunderte optimal und immer intensiver die Wasserkraft der Blau. Am Beginn des 20. Jahrhunderts lag die energetische Ausnutzung der Blau bei rund 90 Prozent.
Bis zum Aufkommen der Dampfmaschine am Ausgang des 18. Jahrhunderts waren die Mühlen - ob als Mahlmühlen, Schleifmühlen, Sägemühlen, Papiermühlen, Hammerwerke oder andere Mühlenarten - unbestritten die führende Technologie im Wirtschaftsleben von Stadt und Land. Für viele Arbeitsprozesse brachten die Mühlen eine wesentliche Erleichterung. Gleichzeitig konnten mit deutlich weniger Arbeitskräften rascher größere Mengen an Gütern bearbeitet und produziert werden.
Eine Mühle zu errichten, war ursprünglich ein königliches Hoheitsrecht, ein sogenanntes Regal, später dann ein Vorrecht der mit diesem Regal belehnten Fürsten, Adeligen, Klöster und auch der in einer Stadt ansässigen Patrizier. Sie hatten die ausreichenden Mittel, um den aufwändigen Bau einer Mühle zu bewerkstelligen. Der Lehensherr seinerseits gab seine Mühle an einen Müller weiter. Der Müller hatte die Mühle, heute würde man sagen, damit gepachtet. Als Pacht hatte der Müller an seinen Lehensherrn, dem Verpächter, jährlich eine feste Abgabe in Naturalien oder einen Zins zu zahlen. Durch Weiterverleihung, Verkauf und Teilung kam es nicht selten zu komplizierten Lehenschaften und Rechtsverhältnissen.
An der 1356 erstmals genannten Lochmühle, die übrigens zu den wenigen Ulmer Mühlen gehörte, die ihren Namen – wenn auch nicht ausschließlich (1592 als Teublers-Mühle bezeichnet) - so doch im wesentlichen beibehielt, lassen sich solche komplexen Rechtsverhältnisse und der rasche Wechsel von Lehensherrn beispielhaft zeigen.
Die Lochmühle war wohl zumindest zur Hälfte im Besitz des Grafen Eberhard von Württemberg. 1360 hatte eine Anna Riedmüllerin diese „Mühle im Loch“, wie sie bezeichnet wird, von dem Württemberger zu Lehen. 1360 kaufte der Ulmer Patrizier Konrad Roth der Riedmüllerin für 150 Pfd. Heller die Lehenschaft ab, um sie dann 19 Jahre später 1379 an Walter von Rindbach und Gemünd weiterzuverkaufen. Und wiederum 11 Jahre später 1390 kam nun - nach dem Aussterben der Familie Rindbach - die Mühle als württembergisches Lehen an einen Ulrich Roth und damit wieder an die Familie Roth zurück. Das ist kein Einzelschicksal von Mühlen. Betrieben wurde die Mühle – um hier einige Müller zu nennen - 1472 von einem Hans Buck, 1511 erscheint ein Veit Span als Lochmüller, 1592 ein Hans Jakob Teubler und 1626 ein Joos Müller. Wie die übrigen Gewerbetreibenden in der Stadt waren auch die Müller zünftisch organisiert. 1530 zählte die Müllerzunft 20 Mitglieder. Der Betrieb in den Mühlen wurde durch vom Rat erlassene Müllerordnungen geregelt.
Die Lochmühle (heute Gerbergasse 6)war eine Mühle mit 4 Mahlgängen und 1 Gerbgang (notwendig bei der Verarbeitung von Dinkel, bei dem vor dem Mahlgang die Spelzen von den Körnern entfernt werden mussten), 1891 Einrichtung einer Schleiferei und 1913 Nutzung als Ölmühle. 1922 wurde der Betrieb eingestellt, 1988 das Schau-Wasserrad angebracht.
Als 1922 die Lochmühle gleichsam vom Riemen ging, war die große Zeit der Ulmer Mühlen schon lange vorbei. Die Anfänge der Ulmer Mühlenwerke reichen vermutlich bis in die Frühzeit der Ulmer Stadtgeschichte zurück. Die Isakenmühle, 1351 erstmals urkundlich genannt, wird 1375 als „ Mühle in dem Stadelhof gelegen“ bezeichnet. Sie war ein Lehen der Familie Koprell und ging später an die Familie Krafft. Ihre Lage im „Stadelhof“ (heute Bereich Fischer- und Gerberviertel), der als Wirtschaftshof zur Versorgung der 854 erstmals genannten Ulmer Pfalz auf dem nahen Weinhofberg diente, könnte man durchaus so deuten, dass es sich hier um die älteste Ulmer Mühle handelt, zumal ja Mühlen zu einer Art Grundausstattung eines Wirtschaftshofes einer Pfalz gehörten. Belegbar ist das allerdings nicht. Noch heute erinnert an der Wohnanlage Fischergasse 17 und 17/1 ein Fallenstock an die einstige Mahl- und Sägemühle, deren Wasserrechte 1929 erloschen.
Eine erste Zusammenstellung von mehreren Ulmer Mühlen bringt ein Spruchbrief von 1356. Konkret nennt der Spruchbrief sechs Mühlenwerke. Weitere Mühlen lassen sich für die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts in Einzelnachweisen belegen. Insgesamt sollen im 14. Jahrhundert, in dem Ulm einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte, 11 Mahlmühlen, 4 Sägmühlen, 2 Gewürzmühlen, 1 Ölmühle und eine Hammerschmiede gelaufen sein. In einem Mühlenplan von 1708 sind 14 Mühlen mit ihren Standorten eingetragen und in dem 1786 erschienenen „Ulm mit seinem Gebiete“ beschreibt Herkules Haid 12 Mühlenwerke in der Stadt. 1836 verzeichnet die Ulmer Oberamtsbeschreibung 11 Mahlmühlen, 3 Sägmühlen, 1 Schleifmühle, 1 Lohmühle, 2 Öl- und Gipsmühlen, 1 Walkmühle, 1 Papiermühle, 1 Kupferhammer. Für die Zeit um 1850 benennt Albert Haug 19 Mühlenwerke, davon 12 Mahlmühlen mit 67 Mahlgängen und am Ende des 19. Jahrhunderts sind nach der Ulmer Oberamtsbeschreibung von 1897 insgesamt 11 Mühlen mit zusammen 57 Gängen in Betrieb.
Um für alle Fälle, etwa in Kriegszeiten, bei Belagerungen oder auch bei großem Wassermangel im wahrsten Sinn des Wortes auf der sicheren Seite zu sein, hatten sich die Ulmer zwei Rossmühlen, also von Pferden angetriebene, und damit vom Wasser unabhängige Mühlen eingerichtet: Die Obere Rossmühle (heute beim Haus der Begegnung) und die Untere Rossmühle (Griesbadgasse). Bei einer eventuellen Sperrung der Blau durch Belagerer konnten so beide Notmühlen in Betrieb genommen werden. Sie bestanden bis 1803. Zu den „Sonderlingen“ der Ulmer Mühlenwerke gehört auch eine 1833 vor dem Glöcklertor errichtete Windmühle, die allerdings nicht in Schwung kam.
In der Gesamtschau aller Ulmer Mühlen zeigt sich deutlich, dass die überwiegende Zahl der Ulmer Mühlenwerke Mahlmühlen waren, in denen z. B. Getreide, Gewürze, Rinde (zur Herstellung der Gerberlohe) oder auch Gips zerkleinert und gemahlen wurde. Andere Ulmer Mühlenarten waren z.B. Stampf- oder Walkmühlen. In der Stampfmühle wurde das Rohmaterial z.B. Lumpen (in der Papiermühle) durch eine Stampfvorrichtung zerstampft oder zerquetscht, und bei der Walkmühle wurden Wolltücher mechanisch gewalkt und bearbeitet. Gerade im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Ulm, wo die städtische Wirtschaft maßgeblich von der Textilherstellung bestimmt wurde, kam den Walken eine besondere Bedeutung zu (Untere Bleicher Walk, heute etwa Wielandstraße 50, Obere Bleicher Walk beim Oberen Gscheid in der Westsstadt, Marner- und Weißgerber-Walk, heute Schillerstraße 33). In den Schleifmühlen konnten die Ulmer z.B. einen Werkstoff polieren oder Werkzeuge schärfen lassen und in den Sägemühlen ließen sie eben Bretter und Bohlen zuschneiden. Für die wachsende Ulmer Tabakfabrikation im 19. Jahrhundert waren dann die Tabakmühlen von besonderer Bedeutung, hier vor allem für die Schnupftabakproduktion, bei der Tabak feingemahlen werden musste. Geschickt verstanden es auch die Unternehmer der beginnenden Industrialisierung - wie der Ulmer Firmengründer Johann Philipp Wieland mit der Übernahme der Bochslersmühle - bestehende Mühlenwerke und die damit vorhandene Wasserkraft für Ihre Fabrikation zu nutzen.
Vielfach erfuhren die Mühlen im Laufe ihres Bestehens unterschiedliche Verwendung. Sie wurden umgebaut, ihre anfängliche Nutzung aufgegeben und eine neue Nutzung erfolgte. Ein Beispiel dafür ist die Ulmer Papiermühle (heute etwa Eberhardtstraße 6/10, Wohnanlage). 1560 wird die spätere Papiermühle als Sägemühle errichtet, wenig später in eine Schleifmühle umgebaut und 1642 zieht dort die Papiermühle ein, während die Schleife in die „Münz“ verlegt wird (Schwörhausgasse 4, 1620-1640 Münzstätte). Die Papierherstellung lief hier bis um 1870, danach wurde die Anlage als Werkzeugfabrik genutzt und 1881 übernahm die Pflugfabrik Eberhardt die Gebäude für ihre Produktion. Nach Abbruch der Fabrikanlagen 1972 wurde hier eine Wohnanlage errichtet.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts veränderte sich die Mühlenstruktur an der Blau nachhaltig. Einige Mühlen konnten sich behaupten, andere gingen zur Stromerzeugung über, nicht wenige mussten aufgeben und wurden bereits in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts abgebrochen. Schwer getroffen wurden die Mühlen an der Blau dann durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges.
Heute erinnern nur wenige wasserbauliche Zeugnisse noch an die große Zeit der Ulmer Mühlen an der Blau: z.B. Turbinenhaus der Veltensmühle, die noch bis 1963 als Getreidemühle in Betrieb war (oberhalb der Häuslesbrücke), der Fallenstock der Isakenmühle (heute Wohnanlage Fischergasse 17 und17/1) oder das Schauwasserrad bei der Lochmühle (Gerbergasse 6). Die Mühlenwerke sind verschwunden. Bis 1983 hatte sich allein die Schapfenmühle (Schwörhausgasse 1) gehalten, die allerdings nach einem Brand 1983 ihren angestammten Platz in der Altstadt verließ und nach Jungingen verlegt wurde.

Oberschwäbische Mühlenstraße

Dr. Gebhard Weig (Stadtarchiv Ulm, i.R.)