Mühlen

© Stadtarchiv Ulm
Die Bochslersmühle an der Stadtmauer um 1835
Bis zum Aufkommen der Dampfmaschine am Ausgang des 18. Jahrhunderts waren die Mühlen - ob als Mahlmühlen, Schleifmühlen, Sägemühlen, Papiermühlen, Hammerwerke oder andere Mühlenarten - unbestritten die führende Technologie im Wirtschaftsleben von Stadt und Land. Für viele Arbeitsprozesse brachten die Mühlen eine wesentliche Erleichterung. Gleichzeitig konnten mit deutlich weniger Arbeitskräften rascher größere Mengen an Gütern bearbeitet und produziert werden.
Eine Mühle zu errichten, war ursprünglich ein königliches Hoheitsrecht, ein sogenanntes Regal, später dann ein Vorrecht der mit diesem Regal belehnten Fürsten, Adeligen, Klöster und auch der in einer Stadt ansässigen Patrizier. Sie hatten die ausreichenden Mittel, um den aufwändigen Bau einer Mühle zu bewerkstelligen. Der Lehensherr seinerseits gab seine Mühle an einen Müller weiter. Der Müller hatte die Mühle, heute würde man sagen, damit gepachtet. Als Pacht hatte der Müller an seinen Lehensherrn, dem Verpächter, jährlich eine feste Abgabe in Naturalien oder einen Zins zu zahlen. Durch Weiterverleihung, Verkauf und Teilung kam es nicht selten zu komplizierten Lehenschaften und Rechtsverhältnissen.
Die Lochmühle war wohl zumindest zur Hälfte im Besitz des Grafen Eberhard von Württemberg. 1360 hatte eine Anna Riedmüllerin diese „Mühle im Loch“, wie sie bezeichnet wird, von dem Württemberger zu Lehen. 1360 kaufte der Ulmer Patrizier Konrad Roth der Riedmüllerin für 150 Pfd. Heller die Lehenschaft ab, um sie dann 19 Jahre später 1379 an Walter von Rindbach und Gemünd weiterzuverkaufen. Und wiederum 11 Jahre später 1390 kam nun - nach dem Aussterben der Familie Rindbach - die Mühle als württembergisches Lehen an einen Ulrich Roth und damit wieder an die Familie Roth zurück. Das ist kein Einzelschicksal von Mühlen. Betrieben wurde die Mühle – um hier einige Müller zu nennen - 1472 von einem Hans Buck, 1511 erscheint ein Veit Span als Lochmüller, 1592 ein Hans Jakob Teubler und 1626 ein Joos Müller. Wie die übrigen Gewerbetreibenden in der Stadt waren auch die Müller zünftisch organisiert. 1530 zählte die Müllerzunft 20 Mitglieder. Der Betrieb in den Mühlen wurde durch vom Rat erlassene Müllerordnungen geregelt.
Die Lochmühle (heute Gerbergasse 6)war eine Mühle mit 4 Mahlgängen und 1 Gerbgang (notwendig bei der Verarbeitung von Dinkel, bei dem vor dem Mahlgang die Spelzen von den Körnern entfernt werden mussten), 1891 Einrichtung einer Schleiferei und 1913 Nutzung als Ölmühle. 1922 wurde der Betrieb eingestellt, 1988 das Schau-Wasserrad angebracht.
Eine erste Zusammenstellung von mehreren Ulmer Mühlen bringt ein Spruchbrief von 1356. Konkret nennt der Spruchbrief sechs Mühlenwerke. Weitere Mühlen lassen sich für die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts in Einzelnachweisen belegen. Insgesamt sollen im 14. Jahrhundert, in dem Ulm einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte, 11 Mahlmühlen, 4 Sägmühlen, 2 Gewürzmühlen, 1 Ölmühle und eine Hammerschmiede gelaufen sein. In einem Mühlenplan von 1708 sind 14 Mühlen mit ihren Standorten eingetragen und in dem 1786 erschienenen „Ulm mit seinem Gebiete“ beschreibt Herkules Haid 12 Mühlenwerke in der Stadt. 1836 verzeichnet die Ulmer Oberamtsbeschreibung 11 Mahlmühlen, 3 Sägmühlen, 1 Schleifmühle, 1 Lohmühle, 2 Öl- und Gipsmühlen, 1 Walkmühle, 1 Papiermühle, 1 Kupferhammer. Für die Zeit um 1850 benennt Albert Haug 19 Mühlenwerke, davon 12 Mahlmühlen mit 67 Mahlgängen und am Ende des 19. Jahrhunderts sind nach der Ulmer Oberamtsbeschreibung von 1897 insgesamt 11 Mühlen mit zusammen 57 Gängen in Betrieb.
Um für alle Fälle, etwa in Kriegszeiten, bei Belagerungen oder auch bei großem Wassermangel im wahrsten Sinn des Wortes auf der sicheren Seite zu sein, hatten sich die Ulmer zwei Rossmühlen, also von Pferden angetriebene, und damit vom Wasser unabhängige Mühlen eingerichtet: Die Obere Rossmühle (heute beim Haus der Begegnung) und die Untere Rossmühle (Griesbadgasse). Bei einer eventuellen Sperrung der Blau durch Belagerer konnten so beide Notmühlen in Betrieb genommen werden. Sie bestanden bis 1803. Zu den „Sonderlingen“ der Ulmer Mühlenwerke gehört auch eine 1833 vor dem Glöcklertor errichtete Windmühle, die allerdings nicht in Schwung kam.
Vielfach erfuhren die Mühlen im Laufe ihres Bestehens unterschiedliche Verwendung. Sie wurden umgebaut, ihre anfängliche Nutzung aufgegeben und eine neue Nutzung erfolgte. Ein Beispiel dafür ist die Ulmer Papiermühle (heute etwa Eberhardtstraße 6/10, Wohnanlage). 1560 wird die spätere Papiermühle als Sägemühle errichtet, wenig später in eine Schleifmühle umgebaut und 1642 zieht dort die Papiermühle ein, während die Schleife in die „Münz“ verlegt wird (Schwörhausgasse 4, 1620-1640 Münzstätte). Die Papierherstellung lief hier bis um 1870, danach wurde die Anlage als Werkzeugfabrik genutzt und 1881 übernahm die Pflugfabrik Eberhardt die Gebäude für ihre Produktion. Nach Abbruch der Fabrikanlagen 1972 wurde hier eine Wohnanlage errichtet.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts veränderte sich die Mühlenstruktur an der Blau nachhaltig. Einige Mühlen konnten sich behaupten, andere gingen zur Stromerzeugung über, nicht wenige mussten aufgeben und wurden bereits in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts abgebrochen. Schwer getroffen wurden die Mühlen an der Blau dann durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges.
Heute erinnern nur wenige wasserbauliche Zeugnisse noch an die große Zeit der Ulmer Mühlen an der Blau: z.B. Turbinenhaus der Veltensmühle, die noch bis 1963 als Getreidemühle in Betrieb war (oberhalb der Häuslesbrücke), der Fallenstock der Isakenmühle (heute Wohnanlage Fischergasse 17 und17/1) oder das Schauwasserrad bei der Lochmühle (Gerbergasse 6). Die Mühlenwerke sind verschwunden. Bis 1983 hatte sich allein die Schapfenmühle (Schwörhausgasse 1) gehalten, die allerdings nach einem Brand 1983 ihren angestammten Platz in der Altstadt verließ und nach Jungingen verlegt wurde.
Dr. Gebhard Weig (Stadtarchiv Ulm, i.R.)