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Ausstellung "150 Jahre Alte Synagoge in Ulm"

Ulmer Synagoge am Weinhof um 1875

© Stadtarchiv Ulm

Ulmer Synagoge am Weinhof um 1875. Die Synagoge besaß ursprünglich orientalisch anmutende Kuppeln und war auch im Inneren im orientalischen Stil gehalten. Sie war in zwei Stockwerke unterteilt, wobei die Frauen auf der Empore und die Männer im unteren Bereich saßen. Auf Kritik von orthodoxer Seite stieß die Orgel, mit der die Synagoge ausgestattet war.

Am 12. September 1873 wurde in Ulm die erste neuzeitliche Synagoge errichtet, nachdem sich seit 1806 erstmals wieder Juden in der ehemaligen Reichsstadt ansiedeln durften. Zunächst mussten die Mitglieder der jüdischen Gemeinde noch den Gottesdienst in Laupheim besuchen, seit 1845 war Ulm Filialgemeinde, die Filialgottesdienste abhalten durfte. Gebetsort war ein angemieteter Raum im Gasthof „Schwanen“ auf dem Weinhof. 1856 erhielt Ulm einen Kirchenvorstand und ständigen Vorsänger und Lehrer, seit 1888 einen Rabbiner. Nach dreijähriger Bauzeit wurde 1873 eine Synagoge nach Plänen des Stuttgarter Baurats Adolf Wolff errichtet. Das dazugehörige Gemeindehaus befand sich am Weinhof 3. Die Synagoge wurde außen und innen im orientalisierenden Stil gestaltet und mit einer Orgel ausgestattet. Die Eröffnung wurde unter großer Anteilnahme auch der christlichen Bevölkerung und der städtischen Prominenz begangen.

Zu diesem Jubiläum präsentierte das Stadtarchiv in der zweiten Jahreshälfte 2023 eine kleine Ausstellung, die auch weiterhin -  in leicht veränderter Form - online präsentiert wird. Die Abbildungen lassen sich über die Bildergalerien in der rechten Spalte öffnen.

1806 siedelten sich Juden erstmals wieder in Ulm an, nachdem ihnen seit 1499 untersagt war, sich in der Stadt niederzulassen. Seit Mitte des Jahrhunderts stieg die Zahl der jüdischen Einwohner Ulms auf 694 im Jahre 1880 an. Es entwickelte sich ein reiches Gemeindeleben. Unter anderem wurden der Israelitische Wohltätigkeitsverein und der Israelitische Frauenverein gegründet. Juden waren auch Mitglieder von christlichen Vereinen sowie ab 1861 im Bürgerausschuss und ab 1899 im Gemeinderat vertreten.

Im März 1867 erwarb die Israelitische Kultusgemeinde ein Rotgerberhaus am Weinhof, das für den Bau einer Synagoge abgerissen wurde. Nach dreijähriger Bauzeit wurde die nach Plänen des Stuttgarter Baurats Adolf Wolff errichtete Synagoge am 12. September 1873 unter großer Anteilnahme auch der christlichen Bevölkerung und der städtischen Prominenz eingeweiht. Das dazugehörige Gemeindehaus befand sich am Weinhof 3. Zu ihrer Errichtung hatte die evangelische Kirchengemeinde 1869 einen Kredit i.H.v. 40.000 Gulden eingeräumt und die Stadt Ulm einen Baukostenzuschuss von 2.000 Mark gegeben. Der Kredit sicherte knapp ein Drittel der Gesamtbaukosten für Synagoge und Gemeindehaus. Durch den Kauf von Synagogenplätzen finanzierten die jüdischen Gemeindemitglieder den Bau mit.

Die Synagoge war ursprünglich innen und außen im maurischen Stil gehalten und in zwei Stockwerke unterteilt. Die Fenster waren bunt verglast. Eine Besonderheit bestand vor allem darin, dass die Synagoge über eine Orgel verfügte. Neben der Orgel sorgte auch ein Synagogenchor für die musikalische Untermalung der Gottesdienste.1928 wurden die vier golden schimmernden Kuppeln auf Anregung des Gemeinderats durch schlichte Pyramidendächer nach Plänen der Architekten Bloch und Guggenheimer aus Stuttgart ersetzt.

Die Eröffnung der Synagoge am 12. September 1873 wurde unter großer Anteilnahme der ganzen Stadt begangen. Die Ulmer Schnellpost begleitete die Vorbereitungen zur Eröffnung und berichtete im Anschluss ausführlich und enthusiastisch.

Der überwiegende Teil der israelitischen Gemeinde in Ulm war liberal. Die Synagoge wurde außen und innen prächtig im maurischen Stil gestaltet und mit einer Orgel ausgestattet. Der Einbau des Instruments war für eine kleine Gruppe orthodoxer Juden ein Grund, das neue Gotteshaus nicht zu betreten.

Die israelitische Gemeinde war in der Planungs- und Erbauungszeit der Synagoge (1869-1873) zahlenmäßig stark angewachsen, so dass bei ihrer Eröffnung Teilnahmebeschränkungen eingeführt werden mussten.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatten die in Ulm lebenden Juden keine eigenständige Gemeinde mit eigenem Rabbiner. Zu den Feiertagen, Festen und zu Beerdigungen mussten sie nach Laupheim fahren. Am 3. Februar 1845 fand der erste Filialgottesdienst in Ulm statt. Gebetsort war ein angemieteter Raum im Gasthof „Schwanen“ auf dem Weinhof. Vorsänger war Simon Einstein, Vorsteher der Gemeinde waren Seligmann Gugenheim, Dr. Isak Röder und Rechtsanwalt Jakob Heß. Erst 1888, 15 Jahre nach Einweihung der Synagoge, gestand die Israelitische Oberkirchengemeinde der Ulmer Kulturgemeinde die Unabhängigkeit von Laupheim zu. Nun konnte die Gemeinde ihren Rabbiner wählen. Das religiöse Oberhaupt hatte in der liberalen Gemeinde weitere Aufgaben und unterrichtete auch die jüdischen Kinder.
Zeitweise befand sich das Rabbinat im Weinhof 3, zuletzt in der Langen Straße 18.


Unmittelbar nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten begannen in Ulm Repressalien gegen Juden. Bereits im März 1933 gab es erste Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte.
Die rassistisch motivierte Diskriminierung und Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung steigerten sich ständig. Teil der antisemitischen Aktionen war auch die Kampagne der NS-Presse zur Entfernung der Jesaja-Inschrift „Mein Haus heiße ein Bethaus für alle Völker“ im November 1937 und noch vor dem Pogrom die Forderung nach Abriss der Synagoge in Ulm.
1933 hatte Ulm 530 jüdische Einwohner. Viele emigrierten in der Folgezeit.
Nach dem Novemberpogrom 1938 flohen alle, die konnten, ins Ausland. Am 30. August 1939 erfolgte die formale Auflösung der Ulmer Gemeinde. Die noch in Ulm lebenden Juden wurden u.a. in „Judenhäusern“ ghettoisiert und zwischen 1941 und 1943 in Konzentrations- oder Vernichtungslager deportiert. Ihr Vermögen wurde zuvor enteignet.

Dem nationalsozialistischen Massenmord fielen 152 Ulmer Juden zum Opfer. Werden die in Ulm geborenen und vor 1933 verzogenen jüdischen Ulmerinnen und Ulmer hinzu, beläuft sich die Zahl der Ermordeten auf 220. Nur wenige konnten überleben.

In der reichsweit organisierten Pogromnacht vom 9./10. November 1938 wurden in Ulm Mitglieder der jüdischen Gemeinde, unter ihnen Rabbiner Dr. Julius Cohn, im Brunnen auf dem Weinhof unmittelbar vor der Synagoge zusammengetrieben und brutal misshandelt. Einige der anschließend Inhaftierten wurden in das KZ Dachau verschleppt. Zwei Männer starben an den Folgen der KZ-Haft. Die von SA-Leuten geschändete und in Brand gesetzte Synagoge wurde von der Feuerwehr gelöscht, um ein Übergreifen der Flammen auf Nachbargebäude zu verhindern. Obwohl die Synagoge nicht stark beschädigt war, wurde wenige Wochen später auf Veranlassung der Stadtverwaltung mit ihrem Abriss begonnen. Die Abbruchkosten wurden der jüdischen Gemeinde aufgebürdet.
Im israelitischen Gemeindehaus wurde provisorisch ein Betraum eingerichtet. Hier fand am 4. April 1939 letzte Gottesdienst von Rabbiner Cohn statt.