Schätze der Stadtgeschichte
Anlässlich seines 500-jährigen Jubiläums im Jahr 2015 präsentierte das Haus der Stadtgeschichte - Stadtarchiv Ulm einzelne herausragende Stücke aus seinen Beständen in einer Ausstellung. Die Auswahl erfolgte aufgrund der Bedeutung der Einzelstücke für die Ulmer Geschichte, ihres künstlerischen oder repräsentativen Werts, ihrer Besonderheit, durch die Ereignisse und Zusammenhänge widergespiegelt werden, sowie ihrer Repräsentativität für Quellenarten und Überlieferungsformen.
In den folgenden Absätzen werden einzelne Archivalien, die in der Ausstellung zu sehen waren, vorgestellt, beschrieben und in ihre historischen Zusammenhänge eingeordnet. Geplant ist, diese Aufstellung durch interessante Neuerwerbungen zu ergänzen.
Franziska Nick, geb.
Sterk (1787–1832), die seit 1818 mit ihrem Ehemann, dem Arzt Franz Anton Nick,
in Ulm lebte, führte in der Zeit von 1801 bis 1824 ein Stammbuch. Dabei handelt
es sich um einen Vorläufer der heutigen Poesiealben. Das Stammbuch der
Franziska Nick enthält Einträge von Familienmitgliedern sowie Freundinnen und
Freunden; kluge Ratschläge sind ebenso dabei wie humoristische Verse. Einige
der Seiten sind bebildert – mit Zeichnungen von Blumen, Landschaften und in
einem Fall einer naturalistisch wiedergegebenen Spinne. Über Jahre hinweg
notierte Franziska Nick auf den Seiten zudem die Sterbedaten der jeweiligen
Personen. So erfahren wir vom Tod ihres Bruders Alois, der als württembergischer
Offizier im Jahr 1813 in Frankfurt an der Oder fiel, auf dem Rückzug von
Napoleons Russlandfeldzug. Neben den jungen Männern, die als Soldaten in der
bewegten Zeit der Napoleonischen Kriege zu Tode kamen, fallen die vielen
Vermerke von Todesjahr und -alter bei den Einträgen von Freundinnen der
Franziska Nick auf. Anfang des 19. Jahrhunderts starben viele der jungen
Frauen noch in ihren 20ern, häufig wahrscheinlich bei der Geburt oder im
Kindbett.
Für das Haus der
Stadtgeschichte ist das Stammbuch der Franziska Nick, welches im Mai 2024 von
Elfrun und Waltraud Koch angekauft wurde, eine bedeutende Ergänzung des
Bestands an Stammbüchern und Poesiealben, der den Zeitraum vom 16. bis zum
20. Jahrhundert umfasst. Bemerkenswert ist neben den Illustrationen und
dem guten Erhaltungszustand vor allem, dass es sich um ein frühes Beispiel für
das Stammbuch einer Frau handelt, die zudem in Ulm heimisch wurde.
Hier geht es zum Eintrag
des Stammbuchs in unserem Online-Findmittel Findbuch.net
Im Bestand H Nick,
Franziska finden sich zudem Porträts von Familienmitgliedern und ein
Haushaltsbuch aus dem Jahr 1837.
Der Hintergrund des geschilderten Geschehens in Ulm sind die Ende März 1848 aufkommenden Gerüchte über einen angeblich bevorstehenden Angriff französischer Truppen oder mit Frankreich verbündeter deutscher Arbeiter aus Paris, die sich dort offen zu einer demokratischen Legion formierten, um die Republik in Deutschland militärisch durchsetzen zu helfen. Auch in Ulm wurde in Folge dieser Gerüchte am 25. März 1848 die Bürgerschaft einberufen, bewaffnet und in Alarmzustand versetzt, ohne dass handfeste Beweise vorlagen. Schon am folgend Tag konnte Entwarnung gegeben werden. Diese Hysterie in Südwest-Deutschland ist als „Falscher Franzosenlärm" oder "Franzosen-Feiertag“ in die Geschichte eingegangen.
Der Text des Gedichts ist in schwäbischem Dialekt gehalten.
In Auszügen:
Franzosen Samstag
am 25tn. März 1848
[...]
3.
Kaum bin i untern Kornhaus g’standa
Kaum hat das Raufa g’fanga a,
So kommt a Reiter wiatig g’ritta,
Und meldt woiß Gott d Franzosa an.
[...]
11.
Druf kommt e vierter und a fünfter
Und schreit: Leut, Freudastadt des brennt.
D‘ Franzosa sind huit Nacht na komma
Se schonet weder Weib no Kind.
[...]
19
Der schreit Ihr Büger machet, machet
Ganz Münzingen stat schau im Brand
Wenn ihr net bald als Retter kommet
Nun ischt halt he s’ganz Vaterland.
[...]
22.
S’ganz ischt e blinder Lärm nix weiters
D’Franzosa wöllet nex von Euch
Dia sind ganz ruig ganz z‘frieda
In Ihrem Puplikanerreich.
Das Gedicht wurde im Januar 2024 von Wilfried Sauter angekauft. Herr Sauter ist Historiker und hat insbesondere über die "Deutsche Demokratische Legion" unter Führung von Georg Herwegh und ihre Niederlage gegen württembergische Truppen im Gefecht bei Dossenbach am 27. April 1848 geforscht.
Die Urkundenüberlieferung beginnt mit dieser Herrscherurkunde Kaiser Friedrichs I., gen. Barbarossa (um 1122-1190), ausgestellt auf einem mehrtägigen Hoftag Anfang Mai 1181 in der königlichen Pfalz in Ulm. Die verkehrsgünstige Lage machte Ulm für die staufischen Könige attraktiv als Ausgangspunkt für ihre Italienzüge oder als Ort für die Abhaltung von Hoftagen, auf denen mit den Großen des Reiches die Regierungsgeschäfte erledigt wurden. So verwundert es nicht, dass Friedrich I. es auf 13 nachweisbare Aufenthalte in Ulm brachte. Wie viele andere Städte erfuhr auch Ulm durch die Stauferherrscher einen neuen Entwicklungsschub, und in der Regierungszeit Friedrichs I. (1152 -1190) dürfte der Stadtwerdungsprozess Ulms im Rechtssinne abgeschlossen worden sein. Am 12. Mai 1181 verfügte Friedrich I. die Umwandlung der Pfarrkirche zu Waldsee in ein Augustinerchorherrenstift und ließ dazu diese Urkunde in der königlichen Kanzlei ausstellen. Geschrieben ist sie in lateinischer Sprache auf Pergament mit der gebräuchlichen Urkundenschrift des 12. Jahrhunderts. Der Kaiser selbst konnte weder lesen noch schreiben. Vorstand der Kanzlei war der Mainzer Erzbischof und -kanzler Godefrid, der die Urkunde gegenzeichnete. Lediglich in der Signumszeile (,,Signum domini Friderici Romanorum imperatoris invictissimi") ist das Monogramm des Kaisers, das aus den Anfangsbuchstaben seines Namens und seines Titels besteht, mit seinem eigenhändigen Vollziehungsstrich, einem Kreuz im Mittelpunkt, zu erkennen. An der roten Seidenschnur hing ursprünglich das Majestätssiegel.
Die Verfassung
der Reichsstadt ist hervorgegangen aus dem innerstädtischen Ringen um die Macht
zwischen Zünften und Patriziern und dokumentiert in den Schwörbriefen von 1345,
1397 und 1558. Darin werden grundgesetzartig u. a. die Wahl und Zusammensetzung
des Rates und damit die Machtverteilung festgehalten. Im Kleinen und Großen
Schwörbrief haben die Zünfte die Mehrheit, im Schwörbrief von 1558 die
Patrizier. Der Große Schwörbrief von 1397 ist ausgestellt von „burgermaister,
raute [Rat] und alle burger gemainlich, rich und arme, der stat ze Ulme"
und mit dem reichsstädtischen Siegel beglaubigt. Geschrieben wurde er in der
städtischen Kanzlei vermutlich von dem damaligen Stadtschreiber Heinrich
Neithardt. Geregelt wird die Zusammensetzung von Großem Rat (30 Zünftige - 10
Patrizier) und Kleinem Rat (17 -14), ohne weitere Aussagen über die Kompetenzen
der beiden Gremien festzulegen. Aktives Wahlrecht hatten nur die Vollbürger der
damals 17 städtischen Zünfte, nicht mehr die Patrizier. Sie wählten ihre
Vertreter im Kleinen Rat (17 Zunftmeister) und im Großen Rat (30
Zunftmitglieder). Die 47 Zunfträte wählten dann die Ratsherren des Patriziats
und den Bürgermeister, der aber in der ganzen Reichsstadtzeit dem Patriziat
entstammte.
In der Erinnerungskultur der Stadt ist bis heute der Schwur des
reichsstädtischen Bürgermeisters aus den Schwörbriefen von 1345 und 1397 bei
der Feier des alljährlichen Schwörmontags präsent: ,,Ain gemainer man ze sind
rychen und armen uff alliu gelichiu, gemainiu und redlichiu ding, ane alle
geverde [Vorbehalt]".
Der aus dem Bodenseegebiet stammende Hieronymus
Harder (ca. 1523-1607) war ab 1561 als Schulmeister in Geislingen und Überkingen
im Ulmer Territorium und seit 1578 an der Lateinschule in der Reichsstadt tätig.
Nebenher widmete er sich leidenschaftlich der Botanik, sammelte Pflanzen,
presste und trocknete sie und legte nach seiner eigenen Aussage zwölf
umfangreiche Herbarien an, von denen elf bis heute erhalten sind. Der Erlös aus
dem Verkauf seiner systematisch geordneten Sammlungen brachte ihm
offensichtlich ein willkommenes Nebeneinkommen ein.
Das als „Kreuterbuch“ betitelte „Ulmer
Herbarium“ mit 746 eingeklebten Pflanzen, die sich 699 Spezies zuordnen lassen,
stellte Harder 1594 fertig. Neben zahlreichen Blütenpflanzen enthält es auf 195
Blättern getrocknete und gepresste Sporenpflanzen (Farne und Schachtelhalme),
ebenso Kulturpflanzen aus Feld und Garten und sogar erst im 16. Jahrhundert in
Europa aus der Neuen Welt Amerika eingeführte Arten wie Tomaten oder Tabak. Was
nicht zu pressen war, wie z. B. Wurzelknollen, Früchte oder Standorte, ergänzte
Harder mit Zeichnungen. Wie der Autor in seinem Vorwort vermerkt, habe er „ob
solcher arbait“ nicht „wenig mie und Arbait gehabt“ und dabei „manche berg und
thal durchloffen“. Der natur- und kulturgeschichtlich bedeutsame Folioband spiegelt
nicht nur die Pflanzenwelt Ulms und des näheren Umlandes im späten 16.
Jahrhundert wider, sondern dokumentiert auch die seither in der Flora eingetretenen
Veränderungen durch Klimaeinflüsse und menschliches Eingreifen: Neun der
eingeklebten Pflanzen sind im heutigen Baden-Württemberg bereits ausgestorben
oder verschollen, wie die Strahlen-Breitsame, 14 Pflanzen gelten als vom
Aussterben bedroht, wie die Deutsche Tamariske, 27 als stark gefährdet und 69
als gefährdet.
Hier geht es zum Eintrag des Herbariums in unserem Online-Findmittel Findbuch.Net mit verknüpften Digitalisaten.
Durch die Grenzziehung von 1810 bildete die Donau die Grenze zwischen den beiden Königreichen Württemberg und Bayern. Dadurch verlor Ulm sein natürliches Vorland auf der rechten Donauseite, das u.a. als Viehweide und Gartenland genutzt wurde. Auch das beliebte Ausflugsziel „Steinhäule" wurde für die Ulmer nun zum Ausland und schwer erreichbar. Als Ersatz wurde das auf der württembergischen Seite gelegene „Gänshölzle", ein sumpfiger, von Altwässern durchzogener und von Bärlauch durchsetzter, lichter Wald, trockengelegt und hergerichtet. Als König Friedrich I. von Württemberg Ulm am 30. Mai 1811 seinen ersten Besuch abstattete, stiftete er der Stadt 2.000 Gulden „als einen Beitrag zur Einrichtung des neuen Spaziergangs, welchen sie unter dem Namen Friedrichsau anlegen wollen". Die im Stadtarchiv verwahrten Akten enthalten neben der von König Friedrich unterzeichneten Kabinettsordre an den Landvogt Graf Zeppelin zur Ausbezahlung
der 2.000 Gulden auch einen detaillierten Verwendungsnachweis mit einer Auflistung der durchgeführten Arbeiten. Dazu gehörten z. B. die Anlage von Wegen, die Abholzung von Bäumen, die Pflanzung von Pappeln, die Errichtung einer Schaukel und die Rodung eines Platzes für ein Haus der Lesegesellschaft (heute Museumsgesellschaft).
Als einer der größten Verdienste des Politikers und Gymnasialprofessors Konrad Dieterich Haßler (1803-1873) gilt sein Einsatz für die Restaurierung und Vollendung des Münsters. Schon 1840 hatte er Münsterbauakten entdeckt und für den Wiederbeginn der Bauarbeiten am Münster gesichert. Er führte mehrfach hohe Würdenträger und regierende Fürsten durch das Münster, so 185 6 König Wilhelm I. von Württemberg, 1863 Kaiser Franz Joseph I. von Österreich und 1872 den preußischen Kronprinzen und späteren deutschen Kaiser Friedrich III. Er erhielt 1856 für ein Jahr Urlaub vom Schuldienst, um seiner Mission als „Reisender für das größte Haus Deutschlands" nachzukommen, indem er durch Wandervorträge Begeisterung für das Münster weckte und an deutschen Fürstenhöfen für den Ausbau des Münsters warb. Haßler berichtet in dem Brief an seine Frau über die in Preußen in Aussicht gestellte Kollekte und trägt ihr auf: ,,Solltest Du gefragt werden, wie es hier mit der Münsterangelegenheit stehe, so darfst Du wohl sagen: im Ganzen gut, eine allgemeine Kirchencollecte durch ganz Preußen sei so gut wie gewiß." . Haßler gibt im Brief vom 24. März 1857 seiner Sehnsucht nach seiner Familie Ausdruck und hofft, über die Ostertage wieder in Ulm zu sein. Er hebt insbesondere in Berlin den „unausstehlichen Wind [ ... ], wie es mir selbst in Ulm auf dem Münsterplatz nie vorgekommen" hervor.
Das Ulmer Münster blieb nach Einstellung der Bauarbeiten im Jahr 1543 für 300 Jahre unvollendet. Als man im 19. Jahrhundert in Deutschland die Gotik wieder neu entdeckte und wertschätzte, wuchs auch das Interesse an einer Fertigstellung des im Jahr 13 77 begonnenen Münsters. Insbesondere der 1841 gegründete Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben setzte sich für die Restaurierung des Münsters ein. Nachdem 1844 unter dem ersten Baumeister Ferdinand Thrän die Bauhütte mit zwei Steinmetzen neu gegründet worden war, wurden die ersten Bauschäden behoben und einzelne Sicherungsmaßnahmen durchgeführt. 1856 begann Thrän mit der Errichtung des Strebewerks, das er bis zu seinem Tod 1870 weitgehend abschließen konnte. Die Maßnahmen seines Nachfolgers Ludwig Scheu (1871-1880) bestanden im Ausbau der Osttürme, und unter dem Münsterbaumeister August Beyer wurde der Hauptturm zwischen 1885 und 1890 auf seine volle Höhe von 161,53 Meter vollendet. Die Abbildung ist die erste bekannte Fotoaufnahme des Ulmer Münsters vor Errichtung des Strebewerks im Jahr 1856. Sie zeigt deutlich die Schäden am Münster, etwa über dem Portal, die unabhängig vom späteren Ausbau eine Restaurierung erforderlich machten.
Die Bundesfestung Ulm wurde zwischen 1842 und 1859 als eine der wichtigsten Verteidigungsanlagen in Süddeutschland gebaut. Sie hatte die Aufgabe, einen möglichen Vormarsch französischer Truppen auf Wien bereits an Donau und Iller aufzuhalten. Die Festung verfügte über einen mehr als 9 km langen, Ulm und Neu-Ulm zangenförmig umschließenden und durch Bastionen gesicherten Festungsgürtel. Außerhalb des Festungsgürtels schützten Außenforts die Anlage. Die von 1842 bis 1857 auf dem Michelsberg erbaute Wilhelmsfeste (benannt nach König Wilhelm I. von Württemberg) war der als Rückzugsort (Reduit) dienenden Wilhelmsburg nach Norden vorgelagert. Die breite Front nach Norden sollte Angriffe von der Albhochfläche abwehren. Zusammen mit der Wilhelmsburg bildete die Wilhelmsfeste die Zitadelle der Bundesfestung und zugleich das stärkste Element des Festungsgürtels. Die Wilhelmsfeste bestand aus fünf Einzelwerken. Zwei Werke (XIV und XVI) befanden sich an den Eckpunkten der Nordseite, die durch eine Befestigungslinie (Werk XV) miteinander verbunden waren. Die Anschlusslinien XIII und XVII verbanden die beiden Werke an der Ecke mit den Flankentürmen der Wilhelmsburg.
Albert Einstein kam am 14. März 1879 vormittags um „elf ein halb" - nach hiesiger gängiger Zeitbezeichnung also um halb zwölf - in der im Gebäude „B 135" in der Bahnhofstraße gelegenen elterlichen Wohnung auf die Welt. Die Häuser in Ulm hatten damals noch keine aus einer Kombination von Straße und Hausnummer bestehende Anschrift, sondern verfügten über eine laufende Nummer, die jeweils innerhalb der vier Stadtviertel A-D durchgezählt wurde. Albert Einsteins Geburtshaus war daher das Gebäude Nr. 135 im Stadtviertel B, nach heutiger Adressierung handelte es sich hierbei um die Bahnhofstraße 20. Mit dem Eintrag Nr. 224 vom 15. März 1879 wurde die am Tag zuvor erfolgte Geburt Albert Einsteins ins Geburtenregister des Ulmer Standesamts eingetragen, wobei nichts darauf hindeutete, dass aus dem neuen Erdenbürger später ein weltbekannter, mit Nobelpreis ausgezeichneter Physiker werden und er mit seiner Relativitätstheorie Wissenschaft und Forschung sowie das Denken seiner Zeit grundlegend revolutionieren sollte. Albert Einsteins Eltern waren der Kaufmann Hermann Einstein und dessen Ehefrau Pauline, geb. Koch. Wohl 1877 aus Buchau mit seiner Ehefrau nach Ulm zugezogen, war Hermann Einstein zum fraglichen Zeitpunkt Teilhaber an der im Gebäude der ehemaligen Gaststätte „Zum König von England" am Weinhof 19 gelegenen Bettfedernhandlung „Israel & Levi". Bereits im Juni 1880 zog die Familie mit ihrem 15 Monate alten Sohn Albert weiter nach München.
Im Rahmen des 1946 durchgeführten alliierten Ausländersuchverfahrens mussten die noch vorhandenen Ulmer Arbeitgeber die Namen derjenigen ausländischen Arbeitskräfte auflisten, die dort in den Jahren des Zweiten Weltkriegs zum Zwangseinsatz gekommen waren. In den überlieferten Listen dieses Verfahrens sind 9.964 Zwangsarbeiter nachgewiesen, wobei unter Einbeziehung ausgebombter oder zum fraglichen Zeitpunkt über kein erl ei Nachweise mehr verfügenden Betriebe von insgesamt 14.000 Zwangskräften während des Krieges in Ulm auszugehen ist. Mit etwa 3.000 Zwangsbeschäftigten war Magirus der größte diesbezügliche hiesige Arbeitgeber gewesen, wobei es sich bei 1.292 von ihnen um Bürger der Sowjetunion handelte, unter denen sich auch sehr junge Menschen, z. T. erst 14- und 15-Jährige, befanden. Die sogenannten „Ost-Arbeiter" waren in der rassischen Ideologie der Nationalsozialisten besonders tief angesiedelt gewesen und mussten häufig unter äußerst unzureichenden Versorgungsbedingungen schwerste Arbeiten verrichten. Auf der gezeigten Liste sind in der rechten Rubrik die Aufenthaltszeiten in Ulm und der hiesige Unterbringungsort bezeichnet. Die sowjetischen Arbeitskräfte waren überwiegend im seinerzeit noch unvollendet gebliebenen Neubau der Gewerbeschule, in den feuchten und kalten Kasematten des Forts Albeck oder im Neu-Ulmer Zwangsarbeiterlager im Pfaffenweg untergebracht worden, von wo sie täglich in langen Schlangen kilometerweit zum Arbeitseinsatzort hin- bzw. wieder zurückgeführt wurden. Viele Jahrzehnte später dienten die Listen zur Ausstellung schriftlicher Nachweise über den Aufenthalt von Zwangsarbeitern in Ulm, die sie zur Partizipation am Entschädigungsfonds berechtigten.