Wirtschaft
Die hier vorliegende Quellen- und Materialsammlung behandelt
ausgewählte Epochen und Aspekte der Ulmer Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter
bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Die städtische Wirtschaft des Mittelalters
und der Frühen Neuzeit war von Regelungen durch die Zünfte geprägt, die in Ulm seit
dem späten 13. Jahrhundert nachweisbar sind. In diesen 17 bzw. später 21
Zünften waren Handwerker wie beispielsweise Weber, Bäcker, Metzger oder
Schmiede ebenso vertreten wie wohlhabende Fern- und Großhandelskaufleute.
Einige Zünfte setzten sich aus verschiedenen Berufsgruppen (sog. Rotten)
zusammen. Aufgehoben wurden die Zünfte schließlich erst 1862. Bis mindestens in
die 1830er Jahre herrschten auch hier weitgehend traditionelle
Produktionsformen vor. Mechanisierung blieb lange die Ausnahme, arbeitsteilige
Produktion auf wenige Manufakturen in der Tabakbranche beschränkt.
Verschiedene Ereignisse im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts,
u. a. die Mediatisierung, die Gründung des Deutschen Zollvereins 1834 und die
Einführung der Gewerbefreiheit in den Staaten des Deutschen Bundes,
begünstigten den nun anlaufenden Industrialisierungsprozess. Die regionalen
Schwerpunkte der frühen Industrialisierung im Deutschen Bund lagen im Rheinland
und im Königreich Sachsen. Württemberg war in einzelnen Industriezweigen stark
entwickelt, z. B. in der Textilindustrie. Mit dem Wielandschen Messingwalzwerk
entstand in den 1830er Jahren die erste Fabrik in Ulm. Doch gab es auch
einschränkende Faktoren wie die Energieknappheit und die militärische
Befestigung der Stadt.
Der seit den 1830er Jahren in Deutschland einsetzende
Eisenbahnbau forcierte die Industrialisierung. Die Eisenbahn wiederum war
günstig für den Transport von Kohle, die für den Betrieb von Dampfmaschinen
nötig war. In den 1840er Jahren beschleunigte in Ulm auch der Bau der
Bundesfestung die Industrialisierung.
Um die Jahrhundertmitte beschleunigte sich die
Industrialisierung in Deutschland. Zu den wichtigsten Erzeugnissen der Ulmer
Industrie gehörten Pflüge, Feuerwehrzubehör, Messingwaren und Zement. Eine
wichtige Errungenschaft der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schließlich war
in Ulm wie andernorts die moderne zentrale Gas-, Wasser-, und
Elektrizitätsversorgung. In die Zeit der Hochindustrialisierung ab etwa 1880
fiel in Ulm auch der Bau größerer Industriebetriebe, insbesondere in neu
erschlossenen Stadtvierteln. Mit der Industrialisierung ging eine Vergrößerung
des Ulmer Stadtgebiets nach Osten, Norden und Westen sowie die Verfünffachung
der Einwohnerzahl von 11.800 im Jahr 1810 auf 56.100 im Jahr 1910 einher.
Wirtschaftliche Krisen prägten die ersten Jahrzehnte des 20.
Jahrhunderts. Beispielhaft werden die Jahre des Ersten Weltkriegs und der
Weltwirtschaftskrise in Quellen und Materialien behandelt. Als lokales Beispiel
eines Versuchs der Krisenbewältigung wird das Experiment einer lokalen
Sonderwährung vorgestellt, des Ulmer Wära. Einen starken Umbruch, weniger in
der Wirtschaftsform selbst als in der Instrumentalisierung der Wirtschaft für
außenpolitische Zwecke, stellten die Jahre ab 1933 dar. Die Wirtschaft wurde
unter der nationalsozialistischen Herrschaft von Beginn an, und dann nochmals
forciert mit dem Vierjahresplan von 1936, in den Dienst der Kriegsvorbereitung
gestellt. Autarkiepolitik und Aufrüstung, dazu die Enteignung bzw. Aneignung
von Unternehmen, die entweder jüdisch geführt waren oder als jüdisch geführt
markiert wurden („Arisierung“), prägten auch in Ulm das Wirtschaftsleben der
Vorkriegsjahre. Profitierten Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland noch
scheinbar von den Beutezügen der ersten Kriegsjahre, so verschlechterte sich
mit der sich abzeichnenden Niederlage im Weltkrieg auch die wirtschaftliche
Lage dramatisch.
Bearbeitende: Matthias Grotz (Stadtarchiv Ulm), Dr. Andreas Kopp (Oberstudienrat i. R.), Dr. Gudrun Litz (Stadtarchiv Ulm), Thomas Müller (Schubart-Gymnasium), Burckhard Pichon (Oberstudienrat i.R.), Anna Wagner (Kepler-Gymnasium), Dr. Gebhard Weig (Stadtarchiv Ulm, i.R.).
Die Downloads (pdf-Dateien) in der rechten Spalte sind in der Art eines Geschichtsbuchs angelegt. Verbindende Einführungstexte erleichtern Lehrkräften wie Schülerinnen und Schülern die Einordnung und geben einen Überblick über einzelne Teilaspekte des Themas. Zu jedem Einführungstext gehören mehrere Quellen und Materialien, die aus schriftlichen Quellen wie Aktenschriftstücken, Protokollauszügen oder Zeitungsartikeln sowie bildlichen Darstellungen wie z. B. Stichen und Fotos bestehen. Die Quellen und Materialien werden teils im Original, teils in bearbeiteter Form mit fachlicher Kommentierung vorgelegt. Falls erforderlich, wurden bei handschriftlichen Texten Transkriptionen sowie weitere erklärende Hinweise angefügt.