Ulmer/Neu-Ulmer Arbeitskreis 27. Januar
Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

© unbekannt
Das Sammellager Stuttgart-Killesberg Ende November 1941 bei der ersten Deportation württembergischer Juden nach Riga
Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. 1996 erklärte der damalige Bundespräsident Roman Herzog den 27. Januar zum bundesweiten Gedenktag. An diesem Tag soll „der Opfer des NS-Rassenwahns und Völkermords und der Millionen Menschen gedacht werden, die durch das nationalsozialistische Regime entrechtet, verfolgt, gequält oder ermordet wurden. Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen.“
Der Ulmer / Neu-Ulmer Arbeitskreis 27. Januar konzipiert jedes Jahr eine Veranstaltung, die eine bestimmte Opfergruppe in den Fokus nimmt oder einen Teilaspekt der NS-Verbrechen näher betrachtet.

© DZOK-Archiv
Links: Esther Loewy mit 14 Jahren, 1938. Rechts: Esther Bejarano in Auschwitz-Birkenau, 6. April 1983
Esther
Bejarano gehörte zu den unermüdlichen Mahnerinnen gegen das deutsche
Geschichtsvergessen. Am 15. Dezember 1924 in Saarlouis als Tochter von
Margarete und Rudolf Loewy geboren, lebte Esther von 1936 bis 1939 in Ulm und
Neu-Ulm, als ihr Vater die Stelle des Kantors und Lehrers in der Ulmer
jüdischen Gemeinde bekleidete. Sie überlebte mehrere Konzentrationslager. In
Auschwitz spielte sie im Mädchenorchester Akkordeon. Von einem Todesmarsch aus
dem KZ Ravensbrück konnte sie fliehen und reiste schließlich nach Palästina
aus. Seit 1960 lebte sie wieder in der Bundesrepublik. Sie starb hochbetagt,
doch noch immer öffentlich präsent, am 10. Juli 2021 in Hamburg.
Benet
Lehmann, geboren 1997, setzt sich im Buch "Esthers Spuren" mit der
Geschichte der Shoah-Überlebenden und mit ihrem Kampf gegen Rechtsextremismus
auseinander. Welche Rolle spielt das Erbe der Zeitzeug*innen? Wer erinnert an
wen und warum? Was ist in meiner eigenen Familie passiert und wie kann ich dazu
forschen? Und: Hilft Erinnerungskultur gegen steigenden Antisemitismus und
Rassismus?
In
der diesjährigen Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus
liest Benet Lehmann aus "Esthers Spuren". Mitschnitte von Konzerten
und Interviews und weitere Quellen bereichern diese Würdigung. Der Abend endet
mit einem Podiumsgespräch, bei dem neben Benet Lehmann auch Esther Bejaranos
Sohn Joram in einem Videostatement zu Wort kommt.
Begrüßung: Bürgermeister Martin Bendel (Ulm) und
Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger (Neu-Ulm).
Die Gedenkveranstaltung in Ulm findet 2025 ausnahmsweise am 29.
Januar um 19 Uhr, aber wie gewohnt im Stadthaus statt!
Der Eintritt ist wie immer frei!
Die
Abendveranstaltung am 29. Januar wird auch als Live-Stream über den
Youtube-Kanal des DZOK angeboten: https://www.youtube.com/watch?v=mFKshyYXtJk
Veranstaltungen
am 27. Januar 2025
14.30 - 15.30 Uhr | KZ-Gedenkstätte Oberer
Kuhberg
Historiker Dr. Dirk Riedel, wiss. Mitarbeiter an der KZ-Gedenkstätte Dachau, gibt in seinem Vortrag „Oberer Kuhberg, Dachau, Auschwitz und die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus“ einen historischen Rückblick auf die Befreiung von Auschwitz. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Vorgeschichte – der Verbindung zwischen den Konzentrationslagern Oberer Kuhberg, Dachau und Auschwitz. Außerdem geht er der Frage nach, wie heute an die Opfer dieser beiden Orte des Terrors erinnert wird und was es mit dem „Tag zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus“ auf sich hat.
15.30 Uhr | Neu-Ulmer Friedhof
Gedenkfeier mit Kranzniederlegung

© Stadtarchiv Ulm
Erna Ritz (Bildmitte sitzend) war trotz staatlichen Verbots eine Liebesbeziehung zu einem ausländischen Kriegsgefangen eingegangen. Ihr wurden 1940 in einem öffentlichen Strafritual auf dem Ulmer Marktplatz die Haare geschoren.
Das NS-Regime verfolgte und ermordete Frauen ebenso wie Männer aus politischen, religiösen, eugenischen oder rassistischen Gründen. Dabei hatte die Verfolgung von Frauen sehr oft auch geschlechtsspezifische Charakteristika. Diese hingen eng mit der nationalsozialistischen Ideologie zusammen, „ein rassisch reines Herrenvolk“ zu schaffen. Frauen sollten als Hausfrauen und Mütter sowie als Hüterinnen der gesellschaftlichen Moral an dieser „rassereinen Volksgemeinschaft“ mitwirken und wurden entsprechend propagandistisch umworben. Gleichzeitig stigmatisierten und verfolgten die Nationalsozialisten all jene Frauen, die von der propagierten Norm abwichen oder deren mögliche Mutterschaft als „Gefahr für die Volksgemeinschaft“ angesehen wurde.
Der Kulturwissenschaftler Dr. Dietmar Sedlaczek beleuchtet in seinem Vortrag sowohl das NS-Frauenbild als auch die unterschiedlichen Gründe der Verfolgung von Frauen. Was die nationalsozialistische Politik für Frauen in Ulm und Neu-Ulm bedeutete, stellt der Arbeitskreis 27. Januar anhand von fünf Kurzbiografien vor. Sie wurden eigens für den Abend recherchiert und geschrieben. Die lokalen Lebensgeschichten zeigen ein großes Spektrum von Verweigerung zugeschriebener Rollenmuster, aber auch viele Formen geschlechtsspezifischer Repression.
Dietmar Sedlaczek hat viele Jahre die KZ-Gedenkstätte Moringen geleitet. Von 1933 bis 1938 nahm Moringen als Frauenkonzentrationslager eine zentrale Rolle bei der Verfolgung von Frauen ein.
Veranstaltungen zum 27. Januar 2024 in Ulm und Neu-Ulm (2,05 MB, pdf)
Aristides de Sousa Mendes war im Juni 1940 portugiesischer Generalkonsul in Bordeaux. Damals trafen über eine Millionen Menschen, darunter viele Jüdinnen und Juden, auf der Flucht aus zahlreichen Ländern Europas in der Stadt ein. Sie hofften, über Portugal fliehen zu können, nachdem die deutsche Wehrmacht Belgien, die Niederlande und Nordfrankreich besetzt hatte. Die Flüchtenden benötigten dazu Visa, doch hatte der portugiesische Diktator António de Oliviera Salazar bereits im November 1939 seinen Diplomaten untersagt, diese auszustellen. Sousa Mendes geriet in ein Dilemma: Der gläubige Katholik musste zwischen seinen Grundwerten und dem Befehl Salazars entscheiden. Nach dreitägigem Gewissenskampf entschied er sich, seinem Gewissen zu folgen. Zwischen dem 17. und 23. Juni 1940 stellte er unzählige Visa aus und rettete damit tausende Leben.
Veranstaltungen zum 27. Januar 2023 in Ulm und Neu-Ulm (1,46 MB, pdf)
Candelabro - Eine Video-Skulptur zum Wirken Aristides de Sousa Mendes (2,71 MB, pdf)
Verleihung der Bürgermedaille an Ann Dorzback am Schwörmontag 2021 (YouTube-Video)
Das nationalsozialistische Ideal der Schaffung einer leistungseffektiven "Volksgemeinschaft", die in absehbarer Zeit dazu bereit sein sollte, unter Anwendung militärischer Gewalt "Lebensraum im Osten" zu erobern, führte zu drastischen Konsequenzen für die weniger leistungsfähigen und hilfsbedürftigen Bevölkerungsteile. Sozial Schwächere gerieten damit in die unbarmherzige Mechanik einer sozialdarwinistischen, machtpolitischen Interessen dienenden "Herrenvolks"-Ideologie.
Nach einer Begrüßung durch Herrn Oberbürgermeister Gunter Czisch führt der Historiker Oliver Gaida (HU Berlin) unter Berücksichtigung der lokalen Situation in die Geschichte der NS-Verfolgung dieser Bevölkerungsgruppe ein. Anschließend werden der Referent, Bürgermeisterin Iris Mann (Kultur, Bildung und Soziales) und die Leiterin des DRK-Obdachlosenheims in Ulm, Karin Ambacher, über die heutige Situation und über mögliche Wege aus sozialer Ausgrenzung diskutieren. Die Podiumsdiskussion wird von der Sozialpädagogin Petra Bergmann moderiert.
Livestream auf dem Youtube-Kanal des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg https://www.youtube.com/watch?v=rE8co64ujWY
Die jährliche Gedenkfeier wird vom Ulmer / Neu-Ulmer Arbeitskreis 27. Januar veranstaltet. Die Mitglieder des Arbeitskreises sind:
- Deutsch-Israelische Gesellschaft, Ulm / Neu-Ulm
- Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Ulm (DZOK)
- Evangelische Gesamtkirchengemeinde Ulm
- Förderverein Neue Synagoge e.V.
- Katholische Gesamtkirchengemeinde Ulm
- Stadt Neu-Ulm / Abteilung Kultur-Schule-Sport
- Stadt Neu-Ulm / Stadtarchiv
- Stadt Ulm / Haus der Stadtgeschichte - Stadtarchiv
- Stadt Ulm / Öffentlichkeitsarbeit und Repräsentation
- Stadt Ulm / Stadthaus
- Ulmer Volkshochschule
- Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - BdA Ulm