Kirchen und religiöses Leben – ein echtes Querschnittthema der Stadtgeschichte, denn Kirchen und Religion beeinflussen in vielfältiger Hinsicht die politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, intellektuellen und künstlerischen Entwicklungen der Stadtgesellschaft und spiegeln diese zugleich wider. Die vorliegende Quellen- und Materialsammlung zu Kirchen und religiösem Leben in Ulm trägt dem Rechnung. Neben im engeren Sinne kirchen- bzw. religionsgeschichtlichen Fragestellungen kommen politikgeschichtliche und auch religionssoziologische Fragestellungen in den Blick. Die verschiedenen Dimensionen von Religiosität werden nicht auf der Theorieebene, sondern stets am konkreten, lokal greifbaren Beispiel verdeutlicht. Dabei treten gleichermaßen Vielfalt und Monokultur, Streit und Eintracht, Unterdrückung und Freiheit, Entwicklungen und Fehlentwicklungen in den Blick.
In der heutigen, einerseits seit längerer Zeit säkularer werdenden, andererseits aber auch multireligiösen Gesellschaft muss ins Bewusstsein gerufen werden, dass religiöses Leben über viele Jahrhunderte eng normiert war. Die Norm im europäischen Mittelalter war ein weitgehend einheitlicher christlicher Glaubenskern. Juden, Ketzer, Abweichler aller Art waren in der Regel strengen Sanktionen unterworfen. Die in Ulm seit den 1520er Jahren Einzug haltende evangelische Lehre brachte einerseits eine grundlegende religiöse Neuausrichtung, anderseits entwickelte sich auch unter diesen Vorzeichen eine neue Orthodoxie, die das religiöse Leben zu beherrschen suchte. Die Reichsstadt Ulm duldete seit 1499 für mehr als drei Jahrhunderte praktisch keine Juden mehr, beherbergte aber immerhin auch nach Einführung der Reformation eine sehr kleine Zahl von Katholiken, darunter einige Wengenchorherren sowie Angehörige des Deutschen Ordens.
Mit Aufklärung und Moderne setzten seit dem 18., v. a. seit dem 19. Jahrhundert Säkularisierungstendenzen ein, die den kirchlichen Einfluss stark relativierten. Gleichwohl gelang es den Kirchen, sich auch auf der politischen Bühne weiterhin Gehör zu verschaffen. Beispielhaft hierfür mag die Geschichte der Zentrumspartei von der Gründungsphase über den Kulturkampf bis in die Anfänge der NS-Herrschaft stehen.
Folgeerscheinungen des Toleranzgedankens waren unter anderem das bayerische Religionsedikt von 1803 und die Glaubensfreiheit in der württembergischen Verfassung von 1819. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts konnten sich wieder Juden in der Stadt ansiedeln. Normierung und Abweichung prägten durch alle Epochen religiöse Identität. Neben den großen christlichen Kirchen in ihren verschiedenen Ausprägungen entstanden auch im 19. Jahrhundert weitere neue religiöse Gemeinschaften, von denen die Methodisten und die Heilsarmee als so genannte "Freikirchen" auf Basis des Quellenmaterials im Ulmer Stadtarchiv exemplarisch behandelt werden. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat das religiöse Spektrum Ulms im Zuge der Transformation in eine - nach eigenem Selbstverständnis - „Internationale Stadt“ eine ganze Reihe neuer Facetten erhalten, deren historische Aufarbeitung noch aussteht. Die jüdische Gemeinde Ulms, die auf eine – mit langer Unterbrechung – Jahrhunderte alte Geschichte zurückblicken kann, wurde hingegen bereits in mehreren Teilkapiteln von „Ulmer Geschichte im Netz“ gewürdigt. Verwiesen sei namentlich auf Verwaltung - Verfassung - Gesellschaft und Migration.
Bearbeitende: Matthias Grotz (Stadtarchiv Ulm), Dr. Gudrun Litz (Stadtarchiv Ulm), Thomas Müller (Schubart-Gymnasium), Burckhard Pichon (Oberstudienrat i.R.), Tiziana Valdini (Anna-Essinger-Gymnasium), Dr. Gebhard Weig (Stadtarchiv Ulm, i.R.).
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